Burscheid, 6.10.2021

DIE BURSCHEIDER KANZEL-RAMPE

Beim Integrierten Entwicklungs- und Handlungs-Konzept / IEHK 2025 für unsere Burscheider Kommune haben sich die Planer zum Beleben der Innenstadt etwas Besonderes ausgedacht – einen Sendero Luminoso bzw. einen Erleuchteten Pfad samt Skywalk vom Balkantrassen-Rad- und Fußgängerweg hoch auf die Hauptstraßenbrücke. Und steil wie die krasse Rampe am Grand Ballon – oder Großen Belchen – in den Vogesen.

Die Rampe und die zugehörigen „Aussichts“-Plattformen sollen rund eine halbe Mio. kosten (Nachtrag nach der Sitzung des Burscheider Stadtentwicklungsausschusses am 5.10.2021: Kostensteigerung auf zwischenzeitlich 817.800€, trotz Verzichts auf eine der beiden ursprünglich mal geplanten Plattformen, die „Plattform Nord“). Mir stellt sich da massiv die Sinnfrage. Dazu hatte mir der Bergische Volksbote am 16.5.2019 netterweise etwas Platz eingeräumt:

„Mit Licht fängt man Motten – Mäuse aber aller Erfahrung nach mit Speck. Ein schlüssiger Nutzen der geplanten Rampe und insbesondere des illuminierten Skywalk ist aber noch gar nicht dargetan – hier war selbst der Verwaltungschef verblüffend verzagt. Die Rampe wird mit ca. 8% Steigung und Gefälle auch nicht so direkt barrierefrei und die Plattform wird eher für Windkraft optimiert sein als für Sonnenschirme. Welchen Konsum wir damit bei Radlern zusätzlich triggern könnten – und bei welchen Waren und Dienstleistungen – das ist weder seriös prognostiziert noch auch nur annehmbar. Rampe plus Skywalk könnten ähnliche Wahrzeichen frustrierter Planungsziele werden wie unsere tristen Blechbäume am Markt: Sie nutzen nicht, sie trösten nicht, aber stehen bleiben sie doch.

Unser städtebauliches Konzept kommt besser ohne Rampe und Plattform aus, und dabei ganz ohne die vom Bürgermeister raunend und dräuend beschworene Lebensgefahr für die Innenstadt. Das Geld wäre besser und konsequenter investiert, würden wir die Balkantrasse im Kernbereich der Stadt beleuchten, etwa zwischen Hallenbad und altem Bahnhof. Dazu würde ich sogar eine Lampe spenden. Versprochen.“

Dazu ein aktueller Blogpost mit mehr Information, auch zum Planungsprozess oder zur Metamorphose einer Burg mit Erlebnisaufzug zu einem Podest mit Rampe, meinetwegen auch zu einer Rückentwicklung Schwan/Entlein und zur Reichweite kommunalen Dialogs. Und – wir sprechen ja unter Radfahrern – zu dem klassischen Zuruf von Udo Bölts an Jan Ullrich, als letzterer bei der 1997er Tour de France am Anstieg zum Grand Ballon in den Vogesen zu schwächeln drohte: http://uliswahlblog.blogspot.com/2020/09/qual-dich-du-sau.html

Gerne die ganze Moritat auch als Lied:

Das Lied von der Rampe
oder: Wenn die Euros sind frei

frei nach Hoffmann von Fallerslebens Vorlage von 1842
zarte Textanpassungen durch K. U. Voss, Burscheid, im September 2020
zum Vortrage gebracht unter www.vo2s.de/rampe-ein-lied.mp3

Die Gedanken sind so frei,
lasst uns schnell zementieren!
Wir bleiben da-abei,
was könnt‘ uns irritieren?
Sind Fakten geschaffen,
dann schweigen die Affen
und werden scho-on seh’n:
Unser Bu-urscheid wird schön !

Quäääl dich, du-u Sau!*)
heißt es jetzt auf der Rampe.
Dann denkst du: „Ge-enau,
wer braucht schon ‘ne Wampe?“
Und bist du erst oben,
dann wird sie das loben,
was du heut‘ ge-eschafft
mit titanengleicher Kraft !

Und stürmst du e-empor,
oh !, schon stürzt dir‘s entgegen:
Die Rollschuh‘ zu-uvor
und dann erst der Segen
aus Rollstühlen, Rollern,
sie rollen und kollern,
auch Skateboards sind dabei.
Und du mitten im Geschrei !

Die Moraaal von der Geschicht‘,
denke, dass es diese wäre:
Den Planern traue nicht,
wenn’s Geld regnet. Doch kläre,
was Nutzen, was Schäden,
was Kosten, was eben
herauskommt da-abei,
wenn tausend Euros sind so frei !

Ich korrigiere nach dem IEHK Stand Dezember 2016:
fünf-hundert-tausend Euros flattern frei…

Ich korrigiere:nach Erkenntnissen des Stadtentwicklungsausschusses v. 5. Oktober 2021:
acht-hundert-tausend Euros flattern frei…

*) Zitat Strophe 2, Zeile 1:
Uwe Bölts zu Jan Ullrich bei der 18. Etappe der Tour de France 1997
auf einer 9%-Rampe zum Grand Ballon in den Vogesen.

Und im Zusammenhang mit der gerade anstehenden Kommunalwahl 2020 direkt noch eine persönliche, außerparlamentarische Mini-Bürgerinitiative. Daran werden sich hoffentlich möglichst viele Bürger*innen beteiligen, die hier ebenfalls Zweifel am planerischen Verstand haben und nicht für die nächsten 50 Jahre auf ein sinnfreies Bauwerk blicken wollen – oder auf einen Spitzenplatz Burscheids im nächsten Schwarzbuch der Steuerzahler: Hier könnte man mit-unterschreiben http://www.vo2s.de/bruecke.pdf  Es ist noch nicht zu spät! Aber bald.

Siehe auch einen früheren Post in gleicher Sache, zu einer lebhaften Info-Veranstaltung der Stadt:  http://uliswahlblog.blogspot.com/2019/05/burscheid-spange-statt-skywalk-und-rampe.html

Nachtrag 2023: Die Steuerzahler, die schnelle Rampe und ein zumindest lahmender Skyview

Tatsächlich hat der Bund der Steuerzahler Kanzel & Rampe in seinem 2023er Schwarzbuch aufgegriffen und eingehend behandelt. Und zwar ganz ehrlichnicht einmal auf meinen Anstoß; offenbar sahen auch andere Burscheider dies als argen Schildbürgerstreich. Der Bund der Steuerzahler kommt zum Ergebnis: Dies ist ein viel zu teurer und vermutlich völlig nutzloser Rattenfänger-Trick: https://steuerzahler.de/aktuelles/detail/burscheid-will-radtouristen-mit-teuren-koedern-locken/  bzw. https://www.schwarzbuch.de/aufgedeckt/steuergeldverschwendung-alle-faelle/details/teurer-koeder-fuer-radtouristen. Ein wenig mag sich Burscheid sogar darauf einbilden. Denn das 2023er Schwarzbuch ist das fünfzigste. Burscheid präsentiert sich hier quasi im Jubiläumsband.

Die Rampe hat die Steuerzahler-Kritik nun zwar nicht mehr verhindert – sie war zum Jahresanfang 2022 in Rekordzeit aufgeschüttet. Ja, trotz des damaligen landesweiten Defizits bei schweren Baugeräten! Dieses Gesellenstück war damit noch viele Monate vor zwei ausgewachsenen Straßenverbindungen gelungen, deren Brücken es vorher bei der Jahrhundertflut (Baugeräte-Defizit!!!) weggerissen hatte, am Imelsbacher Bach vor Burscheid-Blasberg und am Wiembach vor Burscheid-Dürscheid. Aber immerhin: die teure Aussichtsplattform / der Skyview mit dem angekündigten Blick ins Rheinland, das ist heute weit zurückgestellt – und die als Hingucker auf dem Skyview geplante hochwertige Außengastronomie konnte jahrelangen Bemühungen zum Trotz ja auch noch nicht gefunden werden. Anm.: Anders übrigens als bei den Lenneterrassen in Altena, bei denen unsere Politiker Maß genommen hatten – aber auch dort war eine Terrasse während eines plötzlichen Hochwassers leergespült worden, siehe etwa https://www.come-on.de/lennetal/altena/ein-weiteres-zeichen-der-hoffnung-nach-der-flut-in-altena-90874924.html

Immerhin, die Fundamente für den Burscheider Skyview sind lange gegossen und sie sind sicher auch hochwasserfest. Vielleicht werden sie nur ein wenig im Weg stehen, wenn einmal die derzeit evaluierten Planungen für eine neue ÖPNV-Verbindung entlang der Balkantrasse realisiert werden sollten, siehe etwa https://linieplus.de/proposal/reaktivierung-der-balkantrasse/  

Nun aber zurück zur Hauptseite, mit ihren mehr galaktischen Fragen …