Karl Ulrich Voss,
Burscheid: Meine Leserbriefe im Jahr 2025
Stand: November 2025; grün unterlegt:
lokale/regionale Themen u. Medien
Doch, es hat sich sehr gelohnt: Innen mit bestechender
Akustik, auch mit modernster Ton-Technik, mit klarem Licht statt steter
Dämmerung und mit einer Bühne von ganz neuer Tiefe. Draußen scheiden sich eher
die Geister: „Grandioser Auftritt!“ Oder aber: „Kulturpalast mit Katzenklappe?“
Ich selbst hätte mir ein Forum mit viel mehr Transparenz gewünscht. Zumal ja das Außenforum auf der Parkseite noch aus dem Exposé - mit seinen attraktiven neuen Spiel-Optionen -
leider ein Wunsch bleibt. Das Geld, das Geld!
Soweit die Bel Étage. Aber da ist
ja noch das Untergeschoss mit einigen Proben- und Übungsräumen unserer
Musikschule. Wieder ein wenig wie oben: Innen toll hergerichtet, helle Flure
und Wände, effiziente Schall-Dämmung, moderne Sanitäranlagen. Außen aber:
Problematisch. Gerade: das Licht von außen. Denn die auf 140 qm erweiterte
Bühne des OG kragt hinten nun weit über die Musikschulen-Fenster hinaus. Dann
wuchs noch viel neue Technik davor. An anderen Stellen hat man
Lichtschächte höher zugebaut. Vor allem aber hat sich das tonangebende
Anthrazit der Hausseiten penibel selbst in alle Lichtschächte ausgedehnt – sie
kommen nun als wahre Kohleschächte daher. Ich plädiere für Empathie mit dem
Nachwuchs, der dort unten für die große Bühne darüber heranwachsen soll, und
würde zur Not auch einen großen Eimer Alpina-Weiß oder Polar-Weiß stiften.
In jedem Fall – und dazu geben sowohl die einführenden
Reden als auch konkrete frühere Überlegungen im Stadtrat allen Anlass – ist es
nun ein hervorragender Zeitpunkt, mit Burscheids Pfunden zu wuchern: Und nächst
der „Blütenstadt“ und der „Klingenstadt“ nun auch die „Musikstadt“ amtlich zu
machen. Auch für ein wirksames Stadt-Marketing.
P.S.:
Zum leider nicht realisierten "Außenforum auf der Parkseite" oben im
ersten Absatz:
Tatsächlich hatte die Stadt selbst beim "Save the
Date" für den 15.11.2025 noch mit exakt dieser sehr attraktiven,
heute aber eben leider überholten Gestaltung (und eben mit einer
ganz neuen Dimension der Nutzung) geworben. Auch einer der Förderer mag (u.a.)
davon überzeugt gewesen sein, siehe die Abbildung noch derzeit auf der Seite
der Regionale 2025 (dort ganz herunterscrollen): https://www.regionale2025.de/projekte/3/ Manchmal heißt
es halt gerne: Mehr scheinen als sein ...
(2025/71) 16.11.2025
Welt am Sonntag
zu Thorsten Jungholts Leitartikel
„Gesellschaftsdienst jetzt“ in der Ausgabe v. 16.11.2025, S. 10 der
nachfolgende Leserbrief:
"Progressiv" zeigt hier die völlig richtige
Richtung an. Ein nur freiwilliger Wehrdienst – für mich ein bereits
sprachlicher Widerspruch – der hätte einige derzeit kaum debattierte Haken.
Einerseits: Schon lange vor dem Aussetzen der Wehrpflicht
hatte eine repräsentative Umfrage des damaligen Sozialwissenschaftlichen
Instituts der Bundeswehr belegt: Wahlfreiheit zwischen Wehrdienst und
Zivildienst - und insbesondere eine Berufsarmee - das wird das weltanschauliche
Profil aktiver junger Soldaten signifikant in Richtung autoritärer
Gesellschaftsmodelle verschieben. Zum Zweiten: Wahlfreiheit kann zu einem
regional und gesellschaftlich sehr unausgewogenen Beitrag führen – so stellten
etwa in den Jahren ab 2000 Landstriche mit höherer Arbeitslosigkeit, dabei
insbesondere der deutsche Osten, signifikant mehr Rekruten der
Mannschaftsdienstgrade. Also diejenigen, die ihren Dienst dort leisten müssen,
wo es besonders weh tun kann. Drittens noch ein gerade links der Mitte
wirksamer Effekt: Wahlfreiheit auch contra Wehrdienst koppelt die Exekutive
wahltaktisch komfortabel von der Front ab – und die eigene Wahl-Klientel wird
mangels Betroffenheit beim nächsten Urnengang nicht so sehr auf- und abgeschreckt.
Dieses Kalkül hatte den USA nach Vietnam die Berufsarmee beschert, dito
Deutschland in einer Hochzeit der Auslandseinsätze i.J. 2011.
Und bitte nichts gegen das Losverfahren: Schon die alten
Griechen schätzten es als demokratisch sehr effiziente, da wenig manipulierbare
Prozedur. Hier kann es die oben genannten Effekte wirksam mindern, ist darum
keineswegs zu verachten. Das individuelle Recht, den Wehrdienst aus
Gewissensgründen zu verweigern, ist nota bene weiter zu garantieren. Aber völlig richtig: Ein
Gesellschaftsdienst für alle sollte unverzügliche Pflicht werden.
Quelle etwa:
Als sich i.J. 1993 die ersten Einsätze „out of area“ abzeichneten, hatte das (damalige)
Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr den weltanschaulichen
Querschnitt des künftigen Nachwuchses im Rahmen einer repräsentativen Studie
untersucht; sie warnt vor zunehmender Attraktivität „für junge Männer, die den
demokratischen Zielen kaum oder gar nicht verbunden sind“, vor Bewerbern, die
in die Bundeswehr drängen, um eine aus ihrer Sicht zu wenig autoritäre,
zu „lasche“ Führung „zu ändern“, siehe Heinz-Ulrich Kohr,
„Rechts zur Bundeswehr, links zum Zivildienst? Orientierungsmuster von
Heranwachsenden in den Alten und Neuen Bundesländern“, SOWI-Arbeitspapier Nr.
77; München, März 1993. Die vorgenannten Zitate stammen aus der Zusammenfassung
unter Nrn. 6.4 und 7 der Studie, daselbst S. 25ff. Die
damaligen Befunde dürften heute nicht weniger, sondern eher mehr zutreffen.
(2025/70) 30.10.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Türkei-Reise des Kanzlers; Eva Quadbecks Leitartikel „Merz auf rutschigem
Parkett“ in der Ausgabe v. 29.10.2025, S. 4
Da stimme ich gerne zu: Deutschland müsste in alle
Richtungen für Bürgerrechte und Minderheitenrechte eintreten, hörbar.
Allerdings haben wir das selbst bei guter Konjunktur zu selten geschafft – etwa
nicht gegenüber dem repressiven Schah-Regime, nicht bei der Junta eines
Putschisten Pinochet oder jüngst noch gegenüber besonders brutalen Warlords der
Nordallianz Afghanistans. Und natürlich nie hinsichtlich der Schutzmacht
selbst, trotz jahrzehntelanger, phasenweise sehr gewaltbereiter Rassentrennung
dort.
Wenn man sich der eigenen Schwächen und Grenzen bewusst
bleibt und wenn man Grundsätze nicht nur selektiv anwendet, dann mag man
bleibenden Eindruck erzeugen. Und eben nicht ausrutschen.
(2025/69) 23.10.2025
RGA / Bergischer Volksbote,
abgedruckt 31.10.2025
Einweihung des Burscheider Kulturforums; Artikel von Celine Derigartz
in der Lokal-Ausgabe Burscheid v. 17.10.2025, S. 23 („Cat Balou kommt zur
Eröffnung des Kulturforums nach Burscheid“)
Der November wird ein funkelnder Auftakt für das KulturForum Burscheid, meine Anerkennung für die
Kulturmanagerin Joanna Kischka. Zu beneiden ist sie
nicht um den herausfordernden Job –diese große Infrastruktur in einem
umkämpften Markt regional übergreifend zu etablieren, bei sich eher
verknappenden hochwertigen künstlerischen Angeboten. Ein paar Widersprüche gilt
es auch noch zu überwinden: Für die Förderung war die inter-kulturelle
Begegnung essentiell. Der langjährige Arbeitstitel
„Haus der Kulturen“ hatte konsequent einen Plural im Namen getragen. Wenn nun
durch Ratsbeschluss dort nur noch die Einzahl stehen soll – eben „KulturForum“ – dann will ich hoffen, dass das keine
Hypothek ist.
Sodann das weitere erklärte Plus für den Förderantrag – die
inter-kommunale Kooperation: Die Arbeit am Interkommunalen
Kulturentwicklungsplan Burscheid-Wermelskirchen zeigte dann leider auch: Beide
Städte haben ein vitales Interesse am Erhalten und Auslasten eigener
Kulturstätten. Und schließlich wird es noch innerörtliche Rücksichtnahme
brauchen, jedenfalls bei kleineren bis mittleren Zuschnitten.
In diesen Rahmenbedingungen den Erfolgsweg zu finden, das
wird gerade für das Anfangsjahr schwer, aber auch auf mittlere Sicht.
Zusätzlich hat sich Burscheid quasi selbst ein Ei auf
die Schienen genagelt – mit der wohl längerfristigen Unterbrechung einer
ökologisch vorteilhaften, niedrigschwelligen Anbindung über die Balkantrasse –
und mit dem Wegfall von Parkraum, auch unmittelbar am KulturForum
selbst. Also: Man darf der Musikstadt wohl noch einiges Glück herbeiwünschen
und das tue ich gerne!
P.S.:
Ggf. kann man noch gesondert auf ein weiteres attraktives Element beim
„Einfahren“ des KulturForums Burscheid aufmerksam
machen – und zwar auf die bereits für den 4.11.2025 ab 17h anberaumte
konstituierende Sitzung des neu gewählten Stadtrats: Im seinem neuen
„Wohnzimmer“, mit neuen Köpfen und einer – jedenfalls lokal – neuen Fraktion.
Die möglichst zahlreiche aktive Teilhabe der Bürger*innen wäre m.E. ein für
alle Seiten konstruktiver und vertrauensbildender Anfang der aktuellen
Ratsperiode.
(2025/68) 23.10.2025
Kölner Stadt-Anzeiger, Ausgabe
Leverkusen, abgedruckt 27.10.205
Einweihung des Burscheider KulturForums; Thomas
Kädings Bericht in der Ausgabe v. 22.10. auf S. 24 der Lokalausgabe Leverkusen
(„Voller Vorfreude“ auf das Kulturforum)
Wenn der erwähnte Vogelkot auf der strahlend weißen Fassade
der „Kleinen Oper“ übertüncht ist und wenn dann noch etwas Weiß übrig ist: Dann
müsste der Hausmeister viel lichtschluckendes Anthrazit ersetzen - in den
Lichtschächten unserer im Zuge des Umbaus im
Untergeschoss weiter verbunkerten Musik- und
Orchesterschule.
Goethe hätte schon dort unten sein „Mehr Licht!“ gestöhnt.
Und freudige Götterfunken wären seinem Freund Schiller hier kaum in den Sinn
gekommen. Immerhin: Da soll doch Nachwuchs für die schöne obere Etage wachsen.
Mit möglichst viel Licht und Luft geht es wohl am besten.
P.S.
Vielleicht können Sie noch gesondert auf einen besonders nahen und
niedrigschwelligen Einweihungstermin hinweisen, im Gegensatz zur Regionale-Gala
am 14.11. ganz ohne Einladung, Anmeldung & Kleiderordnung und
gerne auch mit Begleitung:
Schon am 4.11.2025, 17h wird ja der Rat zu seiner
konstituierenden Sitzung in seinem neuen „Wohnzimmer“ zusammentreten. Ich
denke, es wäre für beide Seiten eine gute demokratische Geste, wenn möglichst
viele Bürgerinnen und Bürger davon ganz aktiv Notiz nehmen würden. Zumal man ja auch eine (hier) ganz neue Fraktion in Augenschein nehmen
kann. Ggfs. sehen wir uns dort.
(2025/67) 1.10.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Kommunalwahlen NRW; Redaktionsbeitrag zum regionalen Muster der Kommunalwahl
(„Kein guter Abend für Amtsinhaber“, Ausgabe v. 30.9.2025, S. 28)
Es ist auffällig: Sehr viele Rathäuser im Westen wurden in
typischerweise sehr knappen Wahlen erstürmt, einige wurden – dann ebenso knapp
– verteidigt. Es liegt nahe, in diesem Muster eine breite Unentschlossenheit,
Unzufriedenheit oder Verwirrung zu erkennen, den Ausweis einer tief
verwurzelten Krisenstimmung. Und selbst den Siegerinnen oder Siegern wird eher
mulmig zumute sein, angesichts der massiven ungelösten und bei gleichbleibender
Finanzausstattung wohl auch nicht lösbaren Problemlagen vor Ort.
Ohne einen seriösen und fairen Kassensturz von Bund,
Ländern und Kommunen wird diese Wunde weiter schwären und könnte sogar zum
Ende der zweiten deutschen Republik führen.
(2025/66) 22.9.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Waffenmesse in der Ukraine; Can Mereys Bericht „Testfeld für Hightechwaffen“ in der Ausgabe v. 22.9.2025, S. 7
Klar: Unter den zahlreichen Waffenmessen der neueren Zeit
ist eine in der Ukraine besonders herausfordernd und spannend. Keiner der
Beteiligten aus dem militärisch-industriellen Komplex – wie ihn die scheidende
US-amerikanische Präsident Dwight D. Eisenhower am 17.1.1961 sehr hellsichtig
skizziert hatte – wird auch daran interessiert sein, diesen riesigen
in-vivo-Waffenübungsplatz so schnell als eben möglich aufzugeben.
Und die, die es am meisten angehen würde, die ukrainischen
Bürgerinnen und Bürger: Sie werden nicht über Krieg und Frieden abstimmen
können. Bevor der blutige Krieg nicht von anderer Hand endet. Noch eine
Anmerkung: Deutsche Panzer oder Panzerhaubitzen sind offenbar nicht mehr das
Tagesgespräch; sie gehörten wohl schon vor Jahren auf die Resterampe.
(2025/65) 9.9.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Kommunalfinanzen; zum Interview mit Achim Brötel in
der Ausgabe v. 9.9.2025, S. 6 („Die Migrationswende wirkt“)
Klafft da nicht ein sehr schwer zu erklärender Abgrund?
Achim Brötel hat doch ohne jeden Zweifel recht, wenn
er endlich verlässliche und auskömmliche Steuerquellen für die Kommunen
fordert. Aber hat das irgendjemand von Gewicht während der Bundestagswahl
aufs Tapet gebracht? Vernehmlich und mit einem beruhigenden Zeitplan? Oder – da
wäre es ja endgültig angesagt gewesen – nun im Kommunalwahlkampf?
Es mag eine der Lebenslügen unserer repräsentativen
Demokratie sein: Die lokale Ebene ist zwar unsere staatliche Basis, auch zum
Rekrutieren des politischen Nachwuchses auf Landes- oder Bundesebene. Aber dann
sticht der Ober ganz schnell den Unter, gerade wenn es um das Verbrauchen der
fiskalischen Ressourcen geht.
Vielleicht nutzt ein Blick über den Gartenzaun: Die
Schweizer kontrollieren in Volksabstimmungen sogar ihre Steuern und Abgaben.
Und stehen damit erschreckend gut da.
(2025/64) 2.9.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Wehrpflicht für Frauen; Bericht, Kommentar und Pro-/Contra-Debatte in den
Ausgaben v. 1. /2.9.2025 (Steven Geyer: „Koalition findet Wehrpflicht für
Frauen gut“ und „Dem Land dienen“; Joachim Frank und Claudia Lehnen: „Debatte
‚Wehrpflicht auch für Frauen?‘ “; Ausgabe v. 1.9.2025, S. 1 u. 4, Ausgabe v.
2.9.2025, S. 4)
Für die Wehrpflicht bin
ich sehr. Das überzeugendste Argument bleibt das politisch wirkungsvolle Erden
und Entschleunigen der Außen- und Sicherheitspolitik. Die USA kamen in bzw.
nach Vietnam auf das Berufsheer, Deutschland in einer Hochphase der Auslandseinsätze.
Zur Demonstration: Mit Wehrpflichtigen hätte ISAF eine ganz andere Halbwertzeit
gehabt. Und mit einigen weiblichen „casualties“
womöglich eine noch viel kürzere, ähnlich dem abrupten Ende von UNOSOM II, nach
dem black-hawk-down-Ereignis.
Dann müsste ich ja sogar dafür votieren, sozusagen
präventiv. Aber jetzt kommt die Gretchenfrage: Brauchen wir eigentlich einen
weiteren Eskalationsschritt bei der Militarisierung unserer Gesellschaft? Um
den Preis, dass dann – gerade in der heutigen Regierungskonstellation – weit
mehrheitlich Männer über die auswärtige Gewalt mit und an Frauen entscheiden?
Contra!
Und ging es beim
Entdecken der robusten Weiblichkeit nicht um etwas ganz anderes, jedenfalls in
signifikanten Anteilen? Steven Geyer erwähnt es ganz nüchtern:
Eine Art Pflicht-Ehrenamt, das als collateral
advantage riesige und schwärende Lücken im
Sozialbereich mit jungen weiblichen Arbeitskräften fluten würde? Ohne
sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse? Eine weitere Krücke für
unsere mühsam dahinhumpelnde Volkswirtschaft? Auch so kann man sich Reformen
ersparen. Aber nur zeitweise; es ist ein falscher, ein systemintelligenter Weg.
Quelle:
Kant empfiehlt in
seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“ (Text etwa hier) die effiziente Rückkopplung durch das vitale,
fühlbare Verknüpfen von Planung und Folgen als ein besonders effizientes
Instrument zum Steuern von Gemeinschaften, siehe dort insbesondere im
"ersten Definitivartikel zum ewigen Frieden", Reclam-Ausgabe S. 12f:
'Wenn ... die Beystimmung der Staatsbürger dazu erfordert wird, um zu
beschließen, ob Krieg seyn solle, oder nicht, so ist
nichts natürlicher, als daß, da sie alle Drangsale
des Krieges über sich selbst beschließen müßten [als
da sind: selbst zu fechten; die Kosten des Krieges aus ihrer eigenen Habe
herzugeben; die Verwüstung, die er hinter sich läßt,
kümmerlich zu verbessern; zum Uebermaße des
Uebels endlich noch eine, den Frieden selbst verbitternde, wegen naher immer
neuer Kriege nie zu tilgende Schuldenlast selbst zu übernehmen], sie sich
sehr bedenken werden, ein so schlimmes Spiel anzufangen.'
Im zweiten
Definitivartikel unterstreicht er diesen Ansatz, wenn er den „Kampf der
Häuptlinge“ lobt, mit seiner unmittelbaren und lehrreichen Einheit von Plan,
Umsetzung und Schmerz in jeweils einer Person (in der Reclam-Ausgabe S. 16f mit
Fußnote auf S. 17). Alles das bezeugt m.E., hätte man denn Kant gefragt, den
Vorteil einer Wehrpflicht- gegenüber einer Berufs-Armee – die Kant insbesondere
als stehendes Heer („miles perpetuus“)
sogar gerne ganz ausgeschlossen hätte, 3. Präliminarartikel
(Reclam S. 5).
Für mich bleibt als
Votum: Unbedingt für Wehrpflicht. Und für entschlossene gesellschaftliche
Debatte und Evaluation der auswärtigen Gewalt. Aber gegen einen auch nur
leichten gesellschaftlichen Druck auf Frauen, sich mit Waffe zu engagieren. Die
massiven männlichen Traumata nach einer im Ergebnis sinnlosen Operation ISAF
sind brutal genug; weibliche Horrorbilder hätten das definitiv nicht ergänzen
müssen.
(2025/63) 27.8.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Auto- und Rüstungskonjunktur; dpa-Meldung „Autobranche streicht über 50.000
Jobs“ und Bericht von Stefan Winter „Granaten werden zur Massenware“
(Wirtschaftsteil der Ausgabe v. 27.8.2025, S. 7 u. 9)
Ein bemerkenswerter
Strukturwandel – eine blitzartige Konversion in nun umgekehrter Richtung. Nach
einem Motto wie „Kotflügel zu Patronen umschmieden“:
Die Autobauer bauen ab, die Rüstungsbetriebe rüsten hoch. Was sich
nebeneinander so schlüssig anhört, dürfte den Standort nicht nur viele zivile
Arbeitsplätze kosten, sondern auch viele Arbeitsplätze insgesamt. Rüstung ist
hoch wertschöpfend und dazu hoch automatisierbar. Der Bericht zeichnet das
repräsentativ nach, wenn er einleitend einen Füllvorgang beschreibt: „Still
verrichtet der Roboter seine Arbeit hinter der Schutzwand.“ Maschinelle
Integration ist es aber nicht allein, mindestens ebenso Arbeitsplatz-kritisch
sind spezielle Usancen des Waffengeschäfts, nämlich das verbreitete „Bezahlen“
von Waffen oder Waffenkomponenten mit gegenläufigen zivilen Warenlieferungen
des Empfängerlandes in sogenannten offset agreements – die dann zu den entsprechenden
Inlandswaren in Konkurrenz treten und sie substituieren können.
Komplexe Mechanismen
wie diese haben allerdings in den lobpreisenden Sonntagsreden unserer Politiker
wenig Platz. Und es tritt schnell in den Hintergrund: Eine Jahresproduktion von
50.000 Granaten muss zwar nicht, kann aber leicht 50.000 Tote und Verwundete
bedeuten, weit weg natürlich. Bei geschultem Einsatz werden es deutlich mehr.
Weitere Anm.:
Nach der heutigen
Nachrichtenlage soll Armin Papperger, Vorstandsvorsitzender von Rheinmetall,
ausdrücklich den amtierenden Verteidigungsminister Boris Pistorius gelobt
haben: Jener habe ihm per Handschlag (!) das verlässliche Signal für den
schnellen Ausbau der Produktion gegeben. Das sind freilich
nicht die Praktiken, die ich bei Geschäften dieser Art und Tragweite von einem
seriösen Staatswesen erwarten würde. Immerhin: Die Rechtsprechung billigt der
Regierung spätestens seit der Pershing-Entscheidung v. 18.12.1984, die das
Streitkräfteurteil v. 12.7.1994 inhaltlich aufgreift, einen ausgedehnten
parlamentarisch nicht beeinflussbaren Bereich „exekutivischer
Handlungsvollmacht“ zu, der etwa auch eine solche Prozedur mit abdecken dürfte.
(2025/62) 26.8.2025
Frankfurter Allgemeine
Friedensmission für die Ukraine; zu Berthold Kohlers Leitglosse „So schnell
marschieren die Preußen nicht“ in der Ausgabe v. 21.8.2025 der nachfolgende
Leserbrief:
Wer in Kategorien denkt
und Muster verfolgt, der wird Berthold Kohler schnell Recht geben und zu sehr
verhaltener Gangart raten: Die Ukraine könnte leicht zum Präjudiz für Gaza
reifen. Noch genereller: Wir denken hier laut über einen neuen Auslandseinsatz
nach – und nüchtern betrachtet haben wir diese häufig überschätzte Form der
äußeren Gewalt bis zum heutigen Tage nicht bewältigt, siehe nur ISAF.
Tatsächlich sind andere
Formen der aktiven Unterstützung eines Friedensprozesses denkbar, ohne Waffen
in der Hand oder Waffen auf dem Postweg. Selbst das aber würde voraussetzen,
dass wir mit zwei Lebenslügen aufräumen:
Natürlich haben wir im
Osten keine Entspannungs-, sondern ganz bewusst und zu unserem
Vorteil Spannungspolitik vorangetrieben, vor wie nach der russischen
Invasion, und mit dem offen erklärten Ziel, Russland zu schwächen. Mit
zumindest bedingtem Vorsatz auch: den Russen zu schaden. Zu Recht
spricht man auch über einen Stellvertreterkrieg. Das sollten wir als ebenso
fruchtlos wie ehrlos aufgeben. Zum Zweiten übersehen
wir seit Jahren geflissentlich einen ganz realen, auch
für uns historischen inner-ukrainischen Konflikt, für den auch wir nun eine
faire Lösung unterstützen können.
Bis dahin aber, und
dann wieder ganz mit Berthold Kohler: Mögen die Preußen in Reserve ruhen.
(2025/61) 19.8.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Leverkusen, abgedruckt 1.9.2025
Kommunalfinanzen; Thomas Kädings Bericht „Wo Leverkusen nicht gut verwaltet wird“ (Lokalausgabe Leverkusen v. (19.8.2025, S.
21)
Zur Gewerbesteuer
offenbart die Gemeindeprüfungsanstalt erstaunliche Einsichten: Ein Erhöhen vom
heutigen Leverkusener Mini-Niveau könne das Aufkommen erhöhen – oder aber die
Wirtschaft zu sehr belasten. Na toll! Kein Wort dazu,
dass das von Monheim vorgemachte und von Leverkusen unlängst nachgeahmte
Steuer-Dumping die Nachbarschaft rücksichtslos kannibalisiert, dass es
tendenziell zu immer niedrigeren Erträgen auf breiter Front führt. Und zu immer
mehr Abhängigkeiten von Förderungen, zu sachfremden Einflussnahmen und zu
cleveren Deals aller Art. Das ist die von dem Psychotherapeuten Paul Watzlawick
genial beschriebene „Anleitung zum Unglücklichsein“ in der besonderen
Ausprägung des „Mehr desselben“.
Seien wir ehrlich: Eine
Abkehr der Gemeindefinanzierung von der Gewerbesteuer, die gerade in Zeiten des
Strukturwandels hoch volatil und zu leicht zu manipulieren ist, sie ist seit
Jahrzehnten überfällig. Aber weder Bundes- noch Landespolitiker wollen auf
ihren komfortabel abgesicherten Teil der Staatsknete verzichten. Machen Sie mal
die Probe auf’s Exempel:
Fragen Sie in den kommenden vier Wochen Ihre Kommunalwahl-Kandidaten nach deren
speziellen Initiativen zur nachhaltigen Gemeindefinanzierung. Fügen Sie
vielleicht noch hinzu: Genau hier berühren die Bürgerinnen und Bürger den
Boden. Und genau hier entscheidet sich, ob die bürgerliche Mitte sicher,
zufrieden und stabil bleibt.
P.S. / Quelle
Paul Watzlawick analysiert in seiner "Anleitung zum
Unglücklichsein" eine Beharrlichkeit, die in immer weitere Verstrickung
führt, treffend unter "Mehr desselben". Das Syndrom, das er ebenso
einfühl- wie unterhaltsam beschreibt, ist das einer doppelten Blindheit:
"Erstens dafür,
dass die betreffende Anpassung eben nicht mehr die bestmögliche ist, und
zweitens dafür, dass es neben ihr schon immer eine Reihe anderer Lösungen
gegeben hat, zumindest nun gibt. Diese doppelte Blindheit hat zwei Folgen:
Erstens macht sie die Patentlösung immer erfolgloser und die Lage immer
schwieriger, und zweitens führt der damit steigende Leidensdruck zur scheinbar
einzig logischen Schlussfolgerung, noch nicht genug zur Lösung getan zu haben.
Man wendet also mehr derselben "Lösung" an und erreicht damit genau
mehr desselben Elends." (Paul Watzlawick, Anleitung zum
Unglücklichsein, Piper, 16. Aufl. 1997, S. 28f).
(2025/60) 18.8.2025
RGA / Bergischer Volksbote,
abgedruckt 22.8.2025
Stadtentwicklung; Nadja Lehmanns Bericht „Wie steht es um Burscheids große
Bauprojekte?“ (Lokal-Ausgabe Burscheid v. 7.8.2025, S. 21)
Danke für den
übersichtlichen Sachstand zu unseren Baustellen! Er wirft auch ein Schlaglicht
auf ein altes Übel von Stadtentwicklungs-Konzepten – die teils jahrelang
gebundenen Hände. Etwa aus Leverkusen ist sie schmerzlich bekannt, die
schwierige und extrem zähe Kommunikation mit
Projektentwicklern und/oder Alt-Eigentümern; aber auch aus Altena, das in
mancher Hinsicht ein Burscheider Vorbild für sein Integriertes Entwicklungs-
und Handlungskonzept war. Das nämliche Defizit zeigt sich an anderer
Stelle in Burscheid, bei der Lindenpassage, mit einem über Jahre immer wieder
angekündigten weiteren Drogeriemarkt. Und mit dem Risiko eines schwärenden
Schandflecks.
Leider offenbart sich
in der Montanussstraße auch das große Risiko,
ortsfremde Interessen zum eigenen Schaden zu bedienen. Hier etwa: Die mit
erheblichen öffentlichen Mitteln hergerichtete Balkantrasse bis zum Sankt-Nimmerlein-Tag weiter und weiter unterbrochen zu halten.
Beruhigend ist sicher nun gemeint, dass die Verwaltung in dem Essener
Projektentwickler für unsere „Neue Mitte“ jedenfalls keine „Heuschrecke“ sieht.
P.S. zu Altena
Dort ist das
Problemkind das sog. „Stapel-Center“. Es steht nach Auszug eines früheren
Toom-Marktes m.W. nach wie vor zu sehr großen Teilen leer; die Altenaer Stadtverwaltung hat (ebenfalls) größte Probleme,
mit dem niederländischen Eigentümer der Liegenschaft zu kommunizieren. Soweit
bekannt, zeigt er keinerlei Interesse an teuren Sanierungsmaßnahmen; die noch
eingehenden Mieten für Wohnnutzung sollen für ihn mehr als kostendeckend
sein.
Stapel- und
Linden-Center sind recht parallele Beispiele für in die Jahre gekommene
Versorgungseinrichtungen mit rapide wachsendem Sanierungsstau und negativer
Wirkung auf das Umfeld. Es wäre sicher sinnvoll gewesen, sich weit früher
um die Erhaltung zu kümmern. Weitere Anm.: Wenn die "Neue Mitte"
kommt, dann wird sie auch als Sargnagel für das Linden-Center kommen.
(2025/59) 4.8.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Wahlverfahren; zu den Berichten bzgl. der Personalia Caroline Bosbach und
Frauke Brosius-Gersdorf (Matthias Niewels: „Erneute
Vorwürfe gegen Bosbach“ und Markus Scjhwering:
„Aufgekündigter Konsens der Demokratie“, Kölner Stadt-Anzeiger v. 2.8.2025, S.
22 / 23)
Zwei Wahlämter, zwei
Frauen, zwei Shitstorms. Und ganz unabhängig vom jeweiligen Ausgang hat die
bürgerliche Identifikation mit ihrem Staat bereits weiter gelitten, in einem
ohnedies zunehmend verwirrten Gemeinwesen. Es scheint, diese Republik zeige
trotz ihrer vergleichsweise geringen Lebenszeit schon
deutliche Zeichen der Altersdemenz. Vielleicht braucht es nun einen Jungbrunnen
aus entweder ganz altem oder ganz neuem Denken:
Ganz alt: Staatliche
Funktionen durch Los vergeben, wie die alten Griechen in den meisten Fällen.
Denn die fernen Väter unserer Demokratie wussten es schon lange: Wahlen sind
viel anfälliger für Korruption und sie garantieren keineswegs eine Bestenauslese.
Ganz neu: Wiederum
durch Los ein Gremium aus Bürger*innen formieren, die dann die eigentliche Wahl
treffen. Solche „Bürgergutachten“ kämen zwar wegen des organisatorischen
Aufwands nur für wenige, eher hochkarätige Staatsämter in Betracht, könnten
dort aber für besondere Akzeptanz bürgen.
(2025/58) 18.7.2025
Spektrum der Wissenschaften
Militärisch ausgerichtete Forschung; Ralf Nestlers
Kommentar „Zeitenwende in der Wissenschaft“ in SPEKTRUM Nr. 8/25, S. 27f
Die Überschrift
„Zeitenwende in der Wissenschaft“ sähe ich gerne mit Fragezeichen versehen, und
das nicht nur für die Physiker. M.E. ist es schwer zu verkennen: Die
Industriestaaten – darunter insbesondere auch die westlichen oder westlich
geprägten – sie haben am Niedergang der globalen kollektiven
Friedenssicherung den wesentlichen Anteil; sie profitieren davon wohl auch am
meisten.
Es scheint sogar, als
würden wir darauf brennen, die schlüssigste Erklärung des
SETI-Paradoxons as soon
as possible zu verifizieren: Habitable Welten
erkennen wir heute zwar mehr als genug, nur keinerlei messbare Kommunikation.
Absolute Funkstille. Offenbar, so lautet die Erklärung, weil sich
technische Zivilisationen sehr schnell selbst annihilieren, lange vor jeder
Kontaktaufnahme.
Die Fähigkeiten der
Forschung sähe ich lieber darauf verwandt, den hoch riskanten status quo zu überwinden. Allein die Titel der beiden
letzten Friedensgutachten von BICC, IFSH, INEF und PRIF geben allen Anlass
dazu. 2024: „Welt ohne Kompass“. 2025: „Frieden retten!!“.
Quellen etwa:
Dipesh Chakrabarty, der sich in seiner
hervorragend belegten Betrachtung „The Climate of History in a Planetary Age“ (Chicago/London 2021) u.a. mit
der zu vermutenden engen zeitlichen Begrenzung unseres gegenwärtigen
„Anthropozäns“ auseinandersetzt, zitiert auf S. 172 zustimmend:
„A critical
unknown,“ to recall the words
of Langmuir and Broecker we have already
encountered in chapter 3
(Langmuir & Broecker, How
to Build a Habitable
Planet: The Story of Earth from
the Big Bang to Humankind,
Princeton 2012) „is the fraction of planetary
lifetime that a technological civilization exists. Does such a civilization self-destruct in few hundred years
or last millions of years? For
such a civilization to
last, the species … must sustain planetary
hability rather than ravage planetary
resources.“
Zur weiteren
Illustration unserer Weltsicht zwei Visualisierungen, einmal aus den Kölner
Stadt-Anzeiger zum Karneval 2023, bei dem sogar "Hammer und Sichel"
recycelt werden (!!!). Zum anderen aus dem Kladderadatsch aus dem Juni 1923,
zur Zeit der Ruhrgebietsbesetzung;. Letzteres Bild
koppelt dann nochmals zurück zu dem von den Alliierten zu Anfang des Ersten
Weltkrieges propagandistisch verstärkten "Rape of Belgium", siehe
etwa https://de.wikipedia.org/wiki/Rape_of_Belgium, ferner das apologetische "Manifest der 93"
= https://de.wikipedia.org/wiki/Manifest_der_93 und die von Einstein mitgezeichnete Reaktion darauf "Manifesto to the
Europeans" https://en.wikipedia.org/wiki/Manifesto_to_the_Europeans.
Ich denke, wir befinden
uns derzeit einmal wieder - sogar als ganze Staaten- oder
Interessengruppen - in einem von manichäischen Feindbildern dominierten
psychotischen Zustand. Dieser bedürfte der nüchternen Objektivierung und
Behandlung, nicht der Verstärkung und Beschleunigung mit Mitteln der
Wissenschaft.
(2025/57) 16.7.2025
RGA / Bergischer Volksbote
„Musikstadt Burscheid“; zu Nadja Lehmanns Reportage „Orchesterverein Hilgen:
Burscheid wird musikalischen Leiter besonders auszeichnen“ (Lokalausgabe
Burscheid v. v. 14.7.2025 , S. 21)
Die Chancen für ein
offizielles Bekenntnis Burscheids zur „Musikstadt“ stehen wohl so gering wie eh
und je in den letzten 14 Jahren. Bereits Bürgermeister Caplans Ratsvorlage vom
20.10.2011 hatte warnend, vielleicht gar drohend darauf hingewiesen: „Andere
Bereiche, z.B. Sport, Künstler, Naturfreunde usw. (könnten sich) nicht
ausreichend gewürdigt oder ausgeschlossen sehen.“
Das ist schade. Unsere
kommunalen Nachbarn Blütenstadt und Klingenstadt haben die identitätsstiftende
Option nach § 13 unserer Gemeindeordnung entschlossen genutzt, auch wenn
dort nicht alles aus Blüten und Klingen besteht. Damit die gute Initiative für
Burscheid nun aber nicht vollends zur Farce gerät, könnte der Rat doch einmal
die Bürgerinnen und Bürger um Rat fragen.
Nach meiner Erinnerung
hatte der Volksbote zu den ersten hiesigen Initiativen eine spontane Umfrage
organisiert. Es war damals sicher nicht ganz repräsentativ
- aber nach Stand Januar 2012 war dabei die konkurrierende Variante
„Sportstadt“, die in Ratsvorlagen und Ausschuss-Debatten so gerne ins Feld
geführt wurde, nur knapp über der Messbarkeitsgrenze angekommen, bei einem
Prozent.
Eine Bürger-Beteiligung
könnte man nun breiter aufsetzen, auch mit Positionieren der Parteien vor der
September-Wahl, nicht wahr? Es ist unsere Zukunft.
(2025/56) 30.6.2025
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 8.7.2025
Spahn zur atomaren Bewaffnung Deutschlands: Bericht „Scharfe Kritik an Spahns
Vorstoß zu Atomwaffen“ u. Harald Stuttes Interview
mir Herfried Münkler „Es gibt keinen Hüter der Regeln“ (Ausgabe v. 30.6.2025
auf S. 1 u. 9)
Jens Spahn und Herfried
Münkter liegen voll im globalen Trend: Das Sprechen
habe sich als zwecklos erwiesen – sich schlagen oder jedenfalls schlagen
können, das sei das Gebot nicht nur der Stunde, sondern der absehbaren Zukunft.
Regeln – wer bitte braucht das denn noch? Und Werte sind am besten an ihrem
Barwert zu messen. Das erinnert mich an Barry McGuires schauerlichen
1965er Hit mit diesen markanten Zeilen „But you tell me over
and over and over again, my friend, how you don’t
believe we’re on the eve of
destruction“.
Eine solche Vision mag
für den sprichwörtlichen "player with the biggest
stick“ Sinn machen. Aber genau den wird es, wie es Münkler
sicherlich richtig einschätzt, auf absehbare Zeit nicht mehr, vielleicht
auch nie mehr geben. Alles das ereignet sich in einer zunehmend engen, knappen
und mit Energie-Technik und explosiven Knowhow im Expresstempo
aufgeladenen Welt. In wenigen Jahren mag es dann schulterzuckend heißen: Dumm
gelaufen!
Quelle etwa:
Dipesh Chakrabarty befasst sich in
seiner hervorragend belegten Betrachtung „The Climate of
History in a Planetary Age“ mit der ggf. sehr engen
zeitlichen Begrenzung unseres gegenwärtigen „Anthropozäns“. Auf S. 172 zitiert
er sehr zustimmend:
„A critical unknown,“ to recall the
words of Langmuir and Broecker we have
already encountered in chapter 3 (Langmuir & Broecker,
How to Build
a Habitable Planet: The Story of Earth from the Big Bang to Humankind, Princeton 2012) „is
the fraction of planetary lifetime
that a technological civilization exists. Does such a civilization self-destruct in a few hundred years or
last millions of years? For such a civilization to last, the species … must
sustain planetary hability rather than ravage planetary
resources.“
Für die erstgenannte
Alternative ("just a few hundred years of anthropocene")
spricht das bekannte SETI-Paradox: Wonach die völlige Ergebnislosigkeit der
jahrzehntelangen, höchst aufwändigen Suche nach extraterrestrischer Intelligenz
– trotz der astronomisch heute sehr gut belegten Annahme einer großen Anzahl
habitabler Welten - am schlüssigsten mit der vergleichsweise
rapide zu erwartenden Selbstauslöschung aller technischen Zivilisationen zu
begründen ist. Und diese Wahrscheinlichkeit nimmt derzeit wohl exponentiell zu.
Es sei denn: Wir finden
zu einem Verhandlungsansatz zurück, wie ihn etwa Egon Bahr und Willy Brandt in
ihrer seinerzeit revolutionären Ostpolitik erfolgreich angewandt haben und der
heute das u.a. von Ralf Stegner, Norbert Walter-Borjans und Rolf Mützenich
gezeichneten SPD-Friedens-Manifest von Juni 2025 kennzeichnet (Wortlaut z.B.
unter https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/spd-manifest-russland-100.html) – bedauerlicherweise ist dies aber selbst in der
traditionell Diplomatie-freundlichen SPD nun hoch umstritten.
(2025/55) 29.6.2025
DIE ZEIT, veröffentlicht im Internet-Angebot der ZEIT am 3.7.2025 https://www.zeit.de/leserbriefe/2025/27
NATO-Gipfel; Leitartikel „What the
f****!“ von Anna Sauerbrey (Ausgabe No. 27 v.
26.6.2025, S. 1)
What the
f****? Offenbar besitzt
Europa weder das Souveräne eines Netanjahu noch die Chuzpe eines Putin, um
Donald Trump zu berechnen und zu manipulieren. Es sei denn: Wir werten es als
ausgebuffte Strategie unserer höchsten Repräsentanten, den Speichel fässerweise
zu lecken, Schutzgeld in Schiffsladungen zu geloben und sich gleichzeitig zu
gerieren, als ersetze die Nato künftig VN und Sicherheitsrat, im Zweifel ohne
jede hinderliche demokratische, rechtsstaatliche oder völkerrechtliche Bindung.
Alles das aber, um den alten Narziss nun auf neue, grundstürzende und gerade
für uns nützliche Wege zu locken?
Vielleicht leide ich auch nur unter einer finalen
kognitiven Dissonanz. Mein kleiner Trost: Zumindest 6 Milliarden Humanoide
außerhalb des christlichen Abendlandes dürften es sehr ähnlich
sehen, als demoralisierenden Rücksturz in ein finsteres Erdmittelalter,
Jahrmillionen vor jeder Aufklärung. Als Zeitenrückwende. Aber immerhin mit
strammer Führung.
(2025/54) 26.6.2025
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 3.7.2025 (nicht in unserer
Lokal-Ausgabe LEV *)
NATO-Gipfel; Heiko Sakurais Cartoon „Der Nato-Gipfel huldigt Donald Trump“ und
Kristina Dunz‘ Leitartikel „Zeit für
eine neue Nato“ (Ausgabe v. 26.6.2025, S. 4)
Heiko Sakurai persifliert es zu Recht: Der Kotau kann nicht
das Ritual einer Wertegemeinschaft sein. Und Kristina Dunz
formuliert es zu Recht: Die Nato braucht speziell in ihrer europäischen
Mehrheit entscheidend mehr Resilienz und Eigenverantwortung. Was dann Schritt
für Schritt eigene Ressourcen in der Waffentechnik erfordert, aber zumindest
ebenso einen selbstbestimmten Weg beim Austarieren von Abschreckung und
Diplomatie, orientiert am Völkerrecht.
*) Anm.: Der KStA druckt die allgemeinen Leserbriefe nicht
zwingend in allen Lokalausgaben ab, etwa dann nicht, wenn gerade im konkreten
lokalen Heft Platz für andere redaktionelle Inhalte benötigt wird. Drum
bekam ich hier erstmals einen Scan per Mail als „Belegexemplar“ Wunder über
Wunder.
(2025/53) 18.6.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Krieg zwischen Israel und Iran; Markus Deckers Kommentar „Wegsehen ist keine
Option“ u. Bericht „Merz: Israel macht für uns die ‚Drecksarbeit‘ “ (Ausgaben
v. 16.6.2025, S. 4, und v. 18.6.2025, S. 1)
Man könnte meinen,
Kanzler Merz habe den Stadt-Anzeiger-Kommentar v. 16.6.2025 verinnerlicht:
Besser ein schnelles Ende mit Schrecken im Iran als ein Schrecken ohne Ende –
besser aus unserer Perspektive, besser selbst aus der Sicht „vieler“ Iraner und
„vieler“ Exil-Iraner. Allerdings fällt dabei ein wenig aus dem Blick: Sehr
ähnliche „Drecksarbeit“ gab es bereits, mit kausalen Folgen für die heute extrem verfahrene Situation dieser Region.
I.J. 1953 hatten der
US-amerikanische Dienst CIA – der später intensiv mit der für blutige Praktiken
bekannten Geheimpoliizei Savak
kooperieren sollte – und der britische Auslandsdienst MI6 einen am Ende
erfolgreichen Staatsstreich gegen den bürgerlichen iranischen
Ministerpräsidenten Dr. Mossadegh organisiert, um die Öl-Rechte der AIOC,
später BP, vor der angekündigten Verstaatlichung zu bewahren.
Den späteren Sturz des
mit dem Westen kooperierenden, zunehmend autokratischen und verhassten
Schah-Regimes und das folgende Ausrufen der Islamischen Republik dürfen wir
heute getrost als praktisch mechanische Konsequenz dieser Arbeit von
eigennützigen Zauberlehrlingen einordnen, als ein in die genaue Gegenrichtung
ausgeschlagenes Pendel – und sehr ähnlich kontraproduktiv verlief es später in
Afghanistan (zweimal!) und im Irak. Ebensolche tausendfache Erfahrungen der
Historie mit Interventionen, Strafexpeditionen, Koalitionen der Willigen und
ähnlicher power projection hatten das
Gebot nationaler Souveränität und Nichteinmischung geformt, den Kernsatz der
VN-Charta. Ein Recht, das wir ganz selbstverständlich für uns selbst in
Anspruch nehmen, als einen kategorischen Imperativ.
Vielleicht sehen wir es
aber schlicht mit der Chuzpe besonders selbstgewisser Eliten: Wer die Formen
beherrscht, der kann sie übertreten. Und allemal für eine elastisch definierte
Staatsräson.
Quellen etwa
https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Ajax
https://de.wikipedia.org/wiki/Krieg_in_Afghanistan_2001%E2%80%932021
https://de.wikipedia.org/wiki/Irakkrieg
(2025/52) 16.6.2025
Frankfurter Allgemeine
Angriff Israels auf den Iran; Nikolas Busses Kommentar „Ein absehbarer Krieg“
(Ausgabe v. 14.6.2025, S. 1)
Die Schlagzeile „Ein
absehbarer Krieg“ klingt in meinen Ohren lakonisch, schulterzuckend, fast
apologetisch: Ja, so mag sich der hier scheinbar unbeteiligte Zeitgenosse
sagen, so musste es wohl kommen und nolens volens wird es exakt so weiter
gehen. Tatsächlich aber sind wir nicht etwa nur auf dem Weg in eine
manichäische Welt. Wir stecken mitten darin fest: Den einen trauen wir schon
lange keinen konstruktiven Beitrag zur Entwicklung der conditio humana zu. Den anderen sehen wir auch massive Regelbrüche
nach und klauben fadenscheinigste, gerne pragmatisch genannte Rechtfertigungen
zusammen. Etwa, dass der einseitige Besitz von Massenvernichtungswaffen eine
ausgewogene und konfliktfreie Zuteilung von Lebenschancen garantiere.
Zugegeben, als
Angehöriger eines Lagers bin ich ebenso ratlos, wie die inzwischen diversen,
teils kausal verknüpften Eskalalations-Spiralen noch
vor einem Armageddon zu erden wären. Eine wenn auch vage Chance könnte immerhin
in einem unkonventionellen Ansatz liegen: Wir kasernieren hundert namhafte
Historiker aus allen Kontinenten mehrere Wochen und lassen sie in einem Essay
zwei Grundfragen bearbeiten. Erstens: Was sind die relevanten Herausforderungen
für das Leben und Überleben der Menschheit im kommenden Jahrhundert? Zweitens:
Wie können in einem weltweit fairen Maßstab die dafür erforderlichen Ressourcen
aufgebracht werden? Vielleicht erübrigt sich dann eine dritte Frage: Können wir
uns in einer engeren und technisch weit entwickelten Welt Kriege überhaupt
leisten und hat die Zivilgesellschaft den größten Vorteil davon?
(2025/51) 15.6.2025
Süddeutsche Zeitung
Israels Angriff auf den Iran; zum Kommentar „Nach dem Debakel“ von Tomas
Avenarius in der Ausgabe v. 14./15.6.2025, S. 4
In meinen Ohren klingt
der Kommentar-Ton zumindest im Auftakt falsch: klammheimlich
hämisch und schadenfroh zu Lasten der attackierten, geschädigten und
paralysierten Iraner. Und zu Gunsten eines Israel, das unter massivem
Regelbruch einen weiteren Punktsieg eingefahren hat.
Aber das jedenfalls für
einen guten Zweck? Wohl kaum. Richtig: eine wirkungsvolle konventionelle
Revanche ist kurzfristig kaum zu erwarten; das israelische Staatsgebiet hat in
einen bisher vergleichsweise effizienten Schutz
investiert. Und Israel hat vorsorglich weltweit seine Botschaften geschlossen.
Aber gewöhnliche Sterbliche jüdischen Glaubens hat die Netanjahu-Administration
nun rund um den Globus in signifikant größere Gefahr gebracht. Nicht zu vergessen:
Das Märtyrertum rechnet in weiten Teilen des Nahen und Mittleren Ostens quasi
zur Staatsreligion, gerade im Iran. Der israelische Besitz der Atombombe
gewährt exakt gegen inbrünstiges Selbstaufopfern keinerlei Sicherheit. Die
nuklearen Fähigkeiten mögen im Gegenteil dauerhaft aufreizen, als ein als ungerecht
und unausgewogen empfundenes Machtmittel, als Schirm auch für etwaige weitere
Landnahme.
Der Ausklang des
Kommentars zeigt zu Recht einige der nun wahrscheinlichen Eskalationsrisiken
auf. Die größte und nachhaltigste Gefahr dürfte allerdings die rapide weitere
Erosion einer auf den kategorischen Imperativ gegründeten internationalen
Ordnung sein. „Nach dem Debakel“ mag gleichzeitig „vor dem Debakel“ meinen.
(2025/50) 6.6.2025
RGA / Bergischer Volksbote,
abgedruckt 11.6.2025
Stadtentwicklung; zu Nadja Lehmanns Artikel „Montanusquartier:
Im August soll es laut Investor losgehen“ (Burscheider Volksbote v. 5.6.2052,
S. 21) der nachfolgende Leserbrief:
Wie es scheint, fiebern
wir alle der funkelnden Einweihung einer neuen Burscheider Stadtmitte entgegen:
Die Bürgerinnen und Bürger für ein zunächst noch ungewohntes
Shopping-Abenteuer. Und der Stadtrat in Erwartung dringend benötigter
Steuereinnahmen. Aber: Nach den insoweit eindeutigen ökonomischen Daten kann
beides leider nicht zugleich gelingen und jeder Tag ohne ein neues großes
Einkaufszentrum ist ein guter Tag für die öffentlichen Kassen, insbesondere für
unsere Stadtkasse.
Denn Steuern von dort
sind wegen millionenschwerer Abschreibungen auf Jahre nicht zu erwarten – bei
der bereits ansässigen Konkurrenz stehen dagegen merkliche Einbußen an, wegen
der bereits prognostizierten deutlichen Umsatzverlagerungen. Burscheid hat bekanntermaßen
bereits heute viel zu viel Vollsortimenter-Marktfläche. Noch mehr verbrauchen
werden wir weder können noch wollen. Dieser Kuchen kann genau einmal
aufgegessen werden. Einen smarten Projektentwickler muss alles das nicht
schrecken, er bekommt sein Geld ohne jede Erfolgsgarantie, nach der aktuellen
Städtebauförder-Richtlinie sogar als erster. Drum werden täglich neue hübsche
Pläne für Malls, Outlets, Superstores und weitere „städtebauliche
Herausstellungsmerkmale“ gezeichnet, für die rastlose Konkurrenz auch unter den
unterfinanzierten Kommunen.
P.S.:
Vinzenz Jakob von Zucclamaglio dürfte sich beim
heutigen Verbinden seines Künstler-Namens Montanus mit dem
französisch-stämmigen Ausdruck „Quartier“ in raschen Volten im Grabe
herumdrehen. Er hatte sein Leben und gerade auch seine Schriftstellerei einem
wesentlichen Ziel gewidmet – dem donnernden Hass auf alles Französische. Er
gehörte damit zu den Wegbereitern der sehr blutigen deutsch-französischen
Auseinandersetzungen. Vielleicht war das auch ein spezielles Vater-Sohn-Ding,
denn Vater und Großvater waren Bewunderer Napoleons, der Vater (gleichzeitig
Gründer der Burscheider Musicalischen Academie von 1812) war ja sowohl Maire als dann nach der
Franzosenzeit kontinuierlich Bürgermeister. Das hier nebenbei; man könnte
das später noch vertiefen.
P.P.S.
An das Montanusquartier werde ich erst glauben, wenn
ich es sehe. Aber Herr Bürgermeister Runge wird sehr daran interessiert
sein, den ersten Spatenstich noch vor der Wahl als werbewirksamen "point of no
return" zu markieren und zu
"inszenieren", wie Herr Hamerla es gerne ausdrückt. CDU u. BfB dito.
(2025/49) 5.6.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Titelthema „Steueroasen" in der Ausgabe v. 5.6.2025 (Gerhard Voogt: „NRW will Steueroasen austrocknen“ und Gerhard Voogt, Corinna Schulz und Niklas Pinner:
„Steueroasen den Kampf angesagt“, S. 1 u. 7)
Was das Land NRW hier
anwenden will, das ist dünne weiße Salbe. Und es wird vermutlich eher neue
Beschwerden schaffen. Ja, die Steuertricks sind halbseiden, unsozial und sie
kannibalisieren die Nachbarschaft! Ganz unbestritten. Aber gerade im Falle
Leverkusens sind sie nichts als ein Symptom jahrzehntelanger Fehlsteuerung und
Unterfinanzierung, im tagtäglichen Kampf gegen den Strukturwandel.
Was es brauchen würde,
aber wozu auch die Bundesparteien und namentlich der Koalitionsvertrag offenbar
keine Kraft aufbringen: Eine Steuerstrukturreform, die den Kommunen einen
größeren und verlässlicheren Anteil am Kuchen zuweist; die es ihnen erlaubt, sich
von der volatilen Gewerbesteuer nachhaltig zu emanzipieren. Finanziert werden
könnte und müsste das in wesentlichen Teilen aus der energischen Reduktion von
Förderung aus Bundes- und insbesondere Landesprogrammen. Gerade der unseligen
Städtebauförderung sollte es an den Kragen gehen: Sie beschert zwar bestimmten
Branchen exklusive Vorteile, verführt aber die
hungerleidenden Kommunen zu einem aberwitzigen Wettrennen: Um zu wenig
bedarfsgesteuerte und zu kurzlebige Malls, Outlets, Superstores und dergleichen
mehr, um die sogenannten "städtebaulichen Herausstellungemerkmale"
Kommunale
Selbstverwaltung braucht die auskömmliche und selbstbestimmte Finanzkraft – und
hier in den Kommunen berühren die Bürger*innen den Boden. Oder die
Schlaglöcher.
P.S.
Wenn der Koalitionsvertrag das Kapitel 4.3 (ab Zeiten-Nr. 3609) mit „Kommunen,
Sport und Ehrenamt“ überschreibt, so nennt er, sicher
unwillentlich, ein weiteres Symptom: Das Ehrenamt hat vor Ort heute die
typische Funktion eines Notstopfens. Es muss – nota bene ohne
sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsformen – den Lebenswert der
Kommunen bestmöglich kolorieren und aufrechterhalten. Die Aussagen des
Abschnitts 4.3 zur Stabilisierung der kommunalen Finanzen bleiben nach
dem Sprachcode des KV dagegen i.d.R. auf Absichtserklärungen,
Prüfvorbehalte und unverbindliche Ausblicke beschränkt.
(2025/48) 30.5.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Lokalteil Leverkusen, abgedruckt 11.6.2025
Burscheider Umwelt; zu Thomas Kädings anspornenden Bericht aus dem Burscheider
Umweltausschuss („Es soll weniger gemäht werden“, Lokalteil Lev. v. 30.5.2025,
S. 24)
Große Anerkennung für
den unbeirrt engagierten Rolf Brombach – und für die Stadt, der offenbar nun
ein grüner Daumen gewachsen ist. Das zeigt sich etwa auch hier in Kuckenberg,
auf einem Margeriten-Blühsaum auf dem
Straßengartenland direkt an der Schulbushaltestelle. Letztes Jahr war da noch
ein tonnenschwerer Gleisketten-Mähroboter darüber gedonnert – nicht von der
Stadt wohlgemerkt; der Panzer hatte sich wohl etwas verirrt, von Flächen des
Kreises. Danach war eher gepflügt als gemäht, wie von einer Kompanie
Wildschweine. Aber in diesem Jahr hat die Stadt sorgsam aufgepasst und das
kleine Biotop konnte sich tapfer erholen. Danke an alle Beteiligten!
Ach ja: Auch in Dierather und Kuckenberger Gärten
greift es um sich: Man lehnt sich zurück, lässt es bunt und mit viel Gesumm blühen. Anstelle von stumpfer und stummer Grasnarbe.
(2025/47) 22.5.2025
Psychologie heute
Titelthema „Pause für`s Pflichtgefühl“ in der
Juni-Ausgabe 2025 (Jochen Metzger: „Pause für`s
Pflichtgefühl“ und Interview mit Jörg Bernardy
"Ich dachte: Genießen darf man erst, wenn man etwas geleistet hat")
Kann es überraschen?
Für Balance und Resilienz brauchen wir ab und zu den kleineren oder größeren
Profit. In den Sechzigern des letzten Jahrhunderts hatten die spontanen
Epikureer das Motto nicht gesittet als "trait
hedonic capacity"
postuliert, sondern drastischer: „Do it now!“
Und andererseits
scheint es recht schlüssig, dass die von den Advokaten des Marshmallow-Tests
pointierte Selbstkontrolle einen statistisch guten sozialen und materiellen
Erfolg verspricht, vielleicht gar extra Lebenszeit: Selbstdisziplin formt sich
wohl entlang der zeitgenössischen gesellschaftlichen Anforderungen, recht
berechnend und deterministisch, ist ein Element davon und ein Schlüssel: Habe
dich zur rechten Zeit im Griff und es folgt mehr Erfolg. Der Test, selbst ein
Erfolgsmodell, konnte sich wie eine petitio
principii selbst bestätigen.
Hier könnte sich noch
eine Parallele ergeben: Ebenso wie die klassischen Werkzeuge moderner
Intelligenz-Messung wurde der Marshmallow-Test an der Stanford-Universität
entwickelt. Und etwa zum legendären Stanford-Binet-Test soll der Überlieferung
nach das - frühere - Interesse des Eisenbahnmagnaten Leland Stanford Anlass
gegeben haben, seine Bewerber-Auswahl sehr zielgerichtet zu optimieren. Auch
dort mag dann ein technik-affines Fähigkeitsprofil sehr normativ für den
hoffnungsvollen Nachwuchs geworden sein, sogar für den Nachwuchs und für das
Geschäftsmodell aller Industriegesellschaften - Stanford ist heute ubiquitär.
Ich befürchte nun: Die
atemlose aktuelle Konkurrenz führender globaler Gruppen und ihr betont
technokratischer Pfad wird heute wieder deutlich weniger Zeit für Pausen
einräumen.
(2025/46) 13.5.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Anpassung der Wirtschaft an Trump-Ideologien; zu Johanna Apels Beitrag
„Gleichberechtigung ade“ in der Ausgabe v. 13.5.2025, S. 9
„Haltungsfreie
Anpassung“, dieser Ausdruck hätte das Zeug zum Modewort des Jahres 2025.
Allerdings ist „haltungsfrei“ hier noch eher beschönigend zu verstehen, drückt
es doch wohl mehr den Austausch von bisheriger Haltung oder Meinung gegen eine
wieder urtümlich unbekümmerte Männlichkeit à la Trump & Co. aus. Oder eine
ab jetzt betonte Nachlässigkeit gegenüber Bürgerrechten, auch und gerade
gegenüber der Umwelt.
Das Dumme ist nur: Die
Umwelt selbst ist tatsächlich haltungsfrei. Sie baut sich einfach weiter um,
ohne jegliche Rücksicht auf unsere Bedarfe. Und dies deutlich schneller, als
wir den Prozess je rückabwickeln könnten. Jede und jeder mag das beobachten –
am besten in Waldstücken, die man 20 Jahre lang nicht betreten hat, vielleicht
im Hochsauerland. Aber das kann man eigentlich nur mit Haltung ertragen.
(2025/45) 7.5.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
zur Kanzlerwahl am 6.5.2025, insbesondere zu Eva Quadbecks Kommentar
„Beschädigt ins Kanzleramt“ in der Ausgabe v. 8.5.2025, S. 4
Gut, auch ich habe
diese wohligen Erinnerungen an strähnige Wochenschau-Filmchen in schwarz-weiß,
mit Limousinen und vielen weißen Mäusen. Wenn man mal wieder in perfekter Choreographie einen deutschen Kanzler inthronisiert hatte.
Aber besonders volksnah oder vital demokratisch fand ich diese zu 100%
berechenbaren Rituale nie. Ein Ritual hilft auch kaum über fehlende oder stark
erschütterte Substanz hinweg. Und hier liegt vermutlich das Problem, das am 7.
Mai zum Durchfallen im ersten Aufzug hinführte: Wir waren noch so davon
beseelt, eine existente, unter dem Strich sogar verblüffend zielorientierte
Herrschaft zu kippen, dass die folgende und vielfach ähnliche Administration
ähnlichen Aggressionen und Zweifeln begegnete.
Und im Gegensatz zu den
frühen Jahren der Republik mit ihrem überwiegenden Vektor nach rechts oben, mit
ihren festen geographischen Landmarken und innig verfolgten Wachstumshoffnungen
sind Richtungen und Werte heute beliebig geworden. „Alles wird umgewertet“
würde ein Nietzsche wieder sagen. Die Kirchen, die Gewerkschaften, die
Parteien, die Medien, selbst die Umwelt – allesamt zunehmend unscharf, wenn
nicht in Auflösung begriffen. Verbündete – eigentlich nur noch lose gebunden,
gerne volatil, häufig in aggressivem Wetteifer.
Die Einwohner der
früheren DDR werden eine solche metamorphe, als wirr und als machtlos
empfundene Phase noch höchst genau erinnern, manche sogar zweifach. Genau da
könnte die Remedur eines Kanzlers Merz liegen: Nicht nach alter Väter Sitte
machtvoll durchregieren, nicht die nachhaltig verbundenen Eliten als erste
bedienen und auf ein späteres trickle down
auf den großen Rest hoffen. Sondern einen betonten bottom-up-Ansatz wagen, mit mehr ermutigenden und
aktivierenden Diskursen, mit besserer Sensorik für die Bedarfe der Bürgerschaft
vor Ort. Oder auch: die vorherrschenden Schwarm-Phobien durch
Schwarm-Intelligenz mit hohem demokratischem Wirkungsgrad ersetzen.
P.S.
Das eigentlich Desaströse scheint mir die Beliebigkeit zu sein, mit der einige
– vergleichbar ja hoch privilegierte – Abgeordnete einmal so, dann wieder
anders entschieden haben oder intensiv zu einer solchen Entscheidung gedrängt
wurden. Insgesamt fügt das dem Ansahen des Parlaments einen m.E. hohen Schaden
zu. Tatsächlich bin ich gefragt worden, warum aus demokratischer Sicht überhaupt
die zweite Wahl des nämlichen Kandidaten Sinn mache – es sei denn mit rein
pragmatischer (TINA-) Begründung: Gewählt werde halt mehrfach, bis das
„sinnvolle“ Ergebnis formal erreicht sei. Mehr konnte ich dazu auch nicht
beisteuern.
(2025/44) 5.5.2015
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 8.5.2025
AfD-Debatte; zur Frage, wie eine wachsende Zustimmung für die AfD unterbunden
oder gar zurückgeführt werden kann, insbesondere zu Steven Geyers Kommentar
„Finanzierungsstopp für die AfD prüfen“ in der Ausgabe v. 5.5.2025, S. 4
Ein Finanzierungsstopp für
die AfD wirkt logisch. Denn wer wollte bestreiten, dass politische
Öffentlichkeit auch hier in Deutschland Funktion verfügbarer Ressourcen ist.
Dennoch führt es wohl in die Irre.
Weltanschaulich
betrachtet hat die Rechtsaußen-Partei ja längst den Fuß in der Türe: Indem sie
für alle Stammtische gut sichtbar das fast singuläre Thema der Februar-Wahl
stiften konnte: Migration und Menschen mit Zuwanderungsgeschichte – als
ausdrückliches Problem. Je mehr nun die CDU versucht, der AfD hier weiter den
Rang abzulaufen, desto mehr werden sich Stammtische bestätigt fühlen, in
messbaren Umfragewerten. Ganz von selbst, auch ohne teure Eigenwerbung der AfD.
Eine Lösung kann für
mich daher nur in einer inhaltlichen Debatte liegen; sie muss sehr nüchtern die
Nachteile und die nach allen Erkenntnissen klar überwiegenden Vorteile humaner
Mobilität ausbuchstabieren. Und nicht zuletzt auch die von uns höchstpersönlich
gesetzten Ursachen der Migration. Nur Mut!
(2025/43) 1.5.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
bemannte Raumfahrt; Titelthema „Weltraumzentrum Köln“ der Ausgabe v. 30.4.2025
(Der Weg ins All führt über Köln“ und „Köln wird zum Weltraumzentrum“ von
Thorsten Breitkopf, KStA S.
1 u. 3)
Dieses Gefühl
beschleicht mich schon seit Jahrzehnten: Unser Köln könnte ein – vermutlich
sogar uralter – Hub des intergalaktischen Reiseverkehrs sein. Und der Dom eine
Art Tower im Orion-Arm. Danke, dass Sie das jetzt bestätigen und weiterführen.
Für mich fehlt nun eigentlich nur noch Will Smith als Escort Service für
Passagiere mit besonderen Ansprüchen. So könnten wir auch den Zustrom
begeisterter junger Astronautinnen weiter stärken.
(2025/42) 25.4.2025
RGA / Bergischer Volksbote, abgedruckt 30.4.2025
Kommunalwahl 2025; Nadja Lehmann „Kommunalwahl: So will die CDU die Burscheider
von sich überzeugen“ (Ausgabe Burscheid v. 24.4.2024, S. 21)
Für den 14. September
hat unsere CDU wieder ein umfassendes Wahlprogramm vorgelegt. Vorausschau ist
dabei naturgemäß interessant – für Konsistenz und Nachvollziehbarkeit ist
allerdings auch die nüchterne Rechenschaft für die nun ablaufende Ratsperiode
wichtig, gerade auch die "lessons learnt". So enthielt schon das 2020er Wahlprogramm auf
S. 11 ein zentrales Kapitel, das auch die Medien fortlaufend beschäftigt:
„Attraktivität der Innenstadt weiter steigern“. 2020 hieß es hierzu u.a.: „In
der Montanusstraße favorisieren wir einen
Vollsortimenter und Drogeriemarkt nebst Parkplatz sowie seniorengerechte
Wohnangebote. Auf der anderen Seite unserer Innenstadt ist der Bereich Haupt-/
Mittel-/ Luisenstraße weiter zu modernisieren. Ein einladendes „Tor zur Innenstadt“
wird geschaffen.“
Schön. Aber unser
traditioneller Siedlungskern musste zwischenzeitlich ja aus dem – bereits
frühzeitig ausgeschöpften – Förderkonzept ausgekoppelt werden; eine künftige
Finanzierung ist ganz unsicher, wäre aber in jedem Fall empfindlich
einzukürzen. Auch das Montanus-Projekt liegt, mit Vorsicht formuliert, weit
hinter dem Zeitplan; würde es realisiert, dann soweit bekannt auch ohne die
zuvor beworbenen „seniorengerechten Wohnangebote“.
Die Glaubwürdigkeit
eines neuen Programms würde m.E. gestärkt, könnten Sachstand und Prioritäten im
Wahlkampf offen aktualisiert werden. Müsste man dabei frühere Planungen
revidieren - kein Problem: Auch die lokale Politik mag, wie es Adenauer einmal
sagte, „alle Tage dazulernen“. Aber man müsste es dann auch klar ansprechen;
alles andere muss eher ratlos wirken.
Quellen:
CDU-Wahlprogramm zur
Kommunalwahl 2020 = https://www.cdu-burscheid.de/fileadmin/user_upload/Wahl_2020/Wahlprogramm-2020.pdf bzw. speziell zur Stadtentwicklung https://www.cdu-burscheid.de/programm/attraktivitaet-der-innenstadt-weiter-steigern.html
(2025/41) 20.4.2025
Süddeutsche
Kriegsende 1945 und deutsch-russisches Verhältnis; Kommentar „Schwieriges
Gedenken“ von Joachim Käppner (Ausgabe v.
19./20./21.4.2025, S. 1)
Eine klassische kognitive Dissonanz: Einer objektiv
geschundenen Nation müssten wir nach wie vor Anerkennung zollen, zumindest
weiter für Vergebung werben. Aber dazu müssten wir ein aktuelles, sehr
eindeutig definiertes Feindbild durchbrechen.
Aber vielleicht ist es gar keine Dissonanz, jedenfalls
keine neue, überraschende. Zwar bestanden unmittelbar nach dem Mai 1945
nirgendwo in Europa Zweifel, welche Nation als erste und welche unter den
größten Qualen und Opfern einem mörderischen Nazi-Deutschland entgegen treten musste. Und welche Nation am Ende auch den
größten militärischen Anteil an der deutschen Niederlage hatte – unstrittig
Russland. Aber das Bild wandelte sich im Westen extrem
schnell, klar vor dem Ende der Sowjetunion oder gar vor dem russischen
Überfall auf die Ukraine: In den Medien und in den Köpfen drängte sich der
D-Day ganz nach vorne, als die zentrale Wortbild-Marke für Heldentum und
konsequent folgenden Sieg.
Für eine ausgewogene und an Frieden orientierte
Geschichtspolitik sollten wir vielleicht aber zwischen 1945 und 2022
unterscheiden. Oder zumindest in Betracht ziehen, dass 2022 nicht ohne 1945 und
nicht ohne eine bereits seit Jahrzehnten unbeirrt wieder intensivierte Geo- und
Spannungspolitik zu verstehen ist. Womöglich hilft für ein kleines Reset der Gedanke: Bei Kenntnis der heutigen Situation
könnte sich ein Reinhard Gehlen vergnügt und
selbstgerecht die Hände reiben: „Habe ich’s nicht immer schon gesagt?“
(2025/40) 16.4.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Waffenexporte; Berichterstattung und Kommentar bzgl. einer etwaigen Lieferung
des Waffensystems „Taurus“ an die Ukraine in der Ausgabe v. 16.4.2025
(„Pistorius bei Taurus-Lieferung skeptisch“ und Kommentar „Nicht sattelfest“
von Markus Decker, S. 1 u. 4)
Man könnte heute erfolgreich daran anknüpfen: Deutschland
hatte sich schon mit der Flügelbombe, auch Höllenhund genannt und zur
„Vergeltung“ u.a. gen England in Marsch gesetzt, einen Namen gemacht, hatte
damit die Mutter aller Cruise-Missiles erfunden. Immerhin konnte diese
"Wunderwaffe" bereits ca. 800 Kilo Sprengstoff über bis zu 250 km ins
Ziel tragen; da ist der Taurus ein würdiger Nachkomme.
Sollte man noch offen sagen, welche russischen oder
ukrainischen Ziele unser modernster Marschflugkörper erreichen und bekämpfen
könnte? Oder wäre das eher unklug? Der CDU-Verteidigungsexperte Roderich
Kiesewetter, gerne gesehener Gast in den allgegenwärtigen Talkshows, der hatte
indessen schon im letzten Jahr auf die Frage, ob etwa zu liefernde Kampfjets
auch gegen Nachschubwege in Russland einzusetzen wären, geradezu entwaffnend
offen, fast aufgebracht ausgerufen: „Ja, warum denn nicht?“ Drum scheinen mir
Merz‘ Aussagen zur Taurus-Lieferung recht unwichtig zu sein, jedenfalls keine
überraschende Neuigkeit.
Quelle etwa:
https://de.wikipedia.org/wiki/Fieseler_Fi_103
(2025/39) 15.4.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Lokal-Ausgabe Leverkusen, abgedruckt 22.4.2025
Stadtentwicklung; Thomas Käding: „Mehr Dauerstellplätze und mehr
Kontrollen“ (Lokal-Ausgabe Leverkusen v. 15.4.2025, S. 24)
Die Burscheider Politik tanzt um einen riesigen rosa Elefanten
herum und gibt tapfer vor, ihn gar nicht zu sehen. Wenn nun gar
zusätzliches Personal eingestellt werden müsste, um den deutlich
geschrumpften und heute tatsächlich arg knappen Parkraum nach Recht und Ordnung
zu bewirtschaften, so hat das doch nur eine, dabei völlig offenbare Ursache:
Diese von emsigen Projektentwicklern ausgebrütete Vision einer „Neuen Mitte“.
Für die auch bereits massive Opfer gebracht worden sind: Vorleistung von
Infrastruktur, Abriss des intakten Bahnhauses, des Kiosks und der – in der
alten Mitte unbeirrt weiterhin beworbenen – öffentlichen Toilette, dito Abort
einer leistungsfähigen grünen Lunge. Von einem ehemals komfortablen Busbahnhof
gar nicht erst zu sprechen. Und eben von Parkraum.
Dieser pralle rosa Elefant, der schon länger breite
Schatten vorauswirft, auch mit dem sehr ärgerlichen Hindernis auf der früher
mal gefeierten Balkantrasse: Er entbehrt laut allen eingeholten Marktgutachten
der letzten Jahre sogar jeder ökonomischen und fiskalischen Vernunft. Zumindest
Verkaufsfläche für Nahrungs- und Genussmittel bietet Burscheid bereits bis
Unterkante Oberlippe, bereits übersättigt, sehr deutlich mehr als im
Bundesdurchschnitt.
Ich rege das umgehende Umbenennen der Kommune in
BUR-SCH-ILDA an sowie den freiwilligen Verlust der Stadtrechte: Zur
Kosteneinsparung und zum Finanzieren der gebotenen engmaschigen Kontrollen.
(2025/38) 13.4.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Anwerben von US-Forschern; Maria Gambino: „Wettstreit um US-Spitzenforscher“
(Ausgabe v.12.4.2015, S. 3)
Ein Wettstreit um US-Forscher hätte zumindest nicht den
ganz so üblen Geruch des Brain-Drain, so wie der Wettlauf um medizinisches
Personal aus Entwicklungsländern. Aber ist der Plan denn überhaupt
realistisch?
Die Trump- und Musk-kritischen hellen Köpfe aus den
Küsten-Universitäten im Westen wie im Osten der USA werden zumeist eher als
Tauben eingeordnet denn als Falken. Sie denken
vermutlich häufiger mit der Friedfertigkeit eines Martin Luther King als an die
Kriegsfähigkeit, die unser amtierender und wohl auch andauernder
Verteidigungsminister nimmermüde fordert. Ob US-Forscher sich dann in ein Land
gezogen fühlen, das sich seit mehreren Jahren politisch und ökonomisch immer
stärker auf Aufrüstung fokussiert? Wo konsequent auch die Forschung immer
häufiger zu „Defence“ beitragen muss und wo die seit den Achtziger
Jahren gewohnte Zivilklausel vieler deutscher Hochschulen – keine millitärisch nützliche Forschung und Entwicklung –
zunehmend unter Druck gerät? So, wie es auch unser voraussichtlich werdender
Kanzler bereits i.J. 2022 ausdrückte - die
Zivilklauseln seien doch nicht mehr zeitgemäß?
Gut, eine zumindest für mich sympathische Perspektive
könnte sein: Transatlantische helle Köpfe hatten schon in den Sechzigern unsere
Friedensbewegung intellektuell ganz wesentlich herausgefordert und gefördert.
Vielleicht könnte heute wieder etwas für unseren kollektiven Brain abfallen.
Und das importierte Talent würde sich an Universitäten anreichern, die ihre
Zivilklausel unbeirrt hochhalten.
Quelle etwa: https://de.wikipedia.org/wiki/Zivilklausel
(2025/37) 3.4.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Raumfahrt; zu den Raumfahrt-bezogenen Berichten in der Ausgabe v. 2.4.2025
(Susanne Rohlfing „Müll im All gefährdet die Raumfahrt“ u. Christina Horsten /
Wolfgang Jung „Die erste deutsche Frau im All“, S. 3 u. 14) der nachfolgende
Leserbrief:
Vor etwa drei Monaten standen wir bei wunderbar sternklarem
Himmel draußen – und waren irritiert. Dass man bei uns die Milchstraße auch im
Winter schon seit Jahrzehnten nicht mehr sehen kann, geschenkt. Auch die
Andromeda nicht, unsere Nachbargalaxie. Zu viel Lichtverschmutzung, man weiß
das ja. Aber in der Nähe des Zenits gab’s nun ein völlig neues und sehr
schräges Sternbild – viele wie auf einer Perlenschnur aufgereihte helle
Lichtpunkte gleicher Größenklasse. Unheimlich. Einer wusste die Erklärung: Es ist
Musks Starlink-Kette, die unter bestimmten Umständen einige Zeit nach
Sonnenuntergang noch Licht abbekommt und zu uns reflektiert. Und da beginnt der
Wahnsinn: Tausende Satelliten, die ein Mensch dorthin hängt, unbeirrt immer
weiter. Einige werden zu Müll und können andere Satelliten oder gar die
Erdoberfläche gefährden. Der Himmel hängt voller und voller. Für was genau?
Andere Akteure fühlen Torschlusspanik, wollen möglichst
schnell nachziehen. Das sind nicht unbedingt demokratisch kontrollierte
Staaten, es sind gerne auch private Unternehmen. Sollten wir aber nicht auf
eine generelle, internationale Kontrolle hinwirken? Kamikaze-Satelliten, die
hier und da ein wenig Weltraum-Schrott umklammern und per gravity
erden können, die scheinen eher putzig wie früher mal WALL-E („Der letzte räumt
die Erde auf“). Sie sind aber offenbar keine Lösung eines asymptotisch
wuchernden Problems.
Quelle etwa:
https://www.swr.de/wissen/wie-starlink-satelliten-am-himmel-sehen-100.html
(2025/36) 26.3.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Sondervermögen für Verteidigung und Infrastruktur; Frank-Thomas Wenzel / Stefan
Winter „Rheinmetall blickt auf Autowerke“ und Felix Huesmann „Die Wirtschaft
und der Ernstfall“ (Ausgabe v. 26.3.2025, S. 9)
Wir tarnflecken gerade sehr dynamisch unsere Gesellschaft
und unsere Wirtschaft; auch Zivilklauseln aus der Forschung und Entwicklung
wirken nun schwer durchzuhalten oder wie Fossilien.
Ein Wermutstropfen bleibt indes. Da verschiebt sich nicht
nur das Verhältnis von zivil zu militärisch ausgerichteten Arbeits- und
Forschungsplätzen und auch die wechselseitige Abgrenzung wird sehr diffus.
Nein, was viele Sonntagsredner entweder nicht wissen, nicht sagen oder nicht
wissen wollen: Ein wachsender Anteil militärischer Produktion kostet sogar
insgesamt Arbeitsplätze, und zwar wegen der bei "Defense" deutlich
höheren Wertschöpfung, und besonders merklich bei Waffenverkauf ins Ausland.
Denn das Ausland „bezahlt“, schon um dortige Devisen zu schonen, die Militaria
sehr gerne mit gegenläufigen zivilen Produkten und Halbfertigprodukten. Die man
dann hier nicht mehr fabrizieren muss.
Klar, unsere Geschichte hält viele leuchtende Beispiele für
eine besondere zivil-militärische Konversion oder Kohabitation bereit:
Käfer/Kübel, Ford-Lastwagen als logistisches Rückgrat der Besetzung des
Sudetenlandes, diverse Produkte der Luft- und Raumfahrt. Das Dumme: Ernste
Diplomatie käme vermutlich signifikant preiswerter, vertrauensbildender und
nachhaltiger. Deren offensichtlicher Nachteil wiederum: Sie ist sehr schlecht
zu industrialisieren.
P.S.:
Anm. zur beigefügten Quelle (Lumpe / Pineo: "Do
U.S: Arms Sales Cost American Jobs?", Intersect May 1994, p.18) bzw. zu meinem beruflichen
Hintergrund:
Ich war - im BMBF - u.a. mit der Förderung von
Nachhaltigkeit sowie Friedens- und Konfliktforschung befasst. Aus dieser Zeit
sind mir die Forschungen insbesondere von Lora Lumpe vertraut. Ich denke, dass
der im Leserbrief dargestellte Wirkungszusammenhang nur wenigen deutschen
Politikern bekannt oder bewusst ist. Sollte Sie der vollständige Artikel von
Steve Usdin ("Dealers in Destruction")
interessieren, in den der Beitrag von Lumpe u. Pineo
eingebettet war, kann ich ihn gerne ergänzend einscannen. Ich denke, die
damalige Phase in den Neunzigern hat zur heutigen Zeit Parallelen, die sehr betroffen
stimmen können.
(2025/35) 25.3.2025
DER SPIEGEL
Sondervermögen für Verteidigung und Infrastruktur; Titel der Ausgabe Nr. 13 v.
22.3.2025
Da ist gerade etwas passiert, das man mit seiner Million
Millionen getrost als präzedenzlosen Staatsstreich eines Ancien Régime einordnen könnte. Oder als finanzpolitischen Tanz
der Toten und Untoten. Und der Spiegel? Macht als "100-Bücher-Wurm"
auf. Die Magazin-Konkurrenz? Fokussiert gleichzeitig auf 25 Kurz-Traumreisen,
vielleicht Leser-Reisen.
Wenn ich eine Summe bilden darf: Gepflegter Eskapismus.
P.S.:
Eine akzeptable Alternative wäre ja gewesen : „Die
Deutschen müssen das Geldverbrennen lernen“, siehe Titel Ihrer Nr. 47 v.
19.11.2006 bzw. https://www.spiegel.de/spiegel/print/index-2006-47.html
(2025/34) 23.3.2025
Kölner Stadt-Anzeiger,
Regionalteil Leverkusen
Stadtentwicklung; Thomas Käding „Drogeriemarkt ist nicht in Sicht“ (Ausgabe v.
21.3.2025, S. 24)
Das ist ein sehr guter
Impuls. Das Linden-Center kann einen Drogeriemarkt leicht aufnehmen und würde
der Hauptstraße damit den ersehnten neuen Schwung geben. Erhaltung ist auch
viel nachhaltiger als ein Neubau. Vor allem als ein Neubau mit einem weiteren
Vollsortimenter, für den nach dem letzten Marktgutachten schlicht die Nachfrage
fehlt, in Burscheid ebenso wie im näheren Einzugsbereich.
Gut ist vor allem, dass
man nun an Alternativen denkt. Denn ob der
Projektentwickler, mit dem man im Gespräch war, nach heutigen Bedingungen
tatsächlich noch bauen will, das ist zumindest fraglich. Richtig: Wir sollten
jetzt handeln. Wer live und in Farbe einen vernachlässigten großen
Einzelhandelskomplex erleben möchte, der mag sich in Altena, das bisweilen als
städtebauliches Vorbild Burscheids zitiert wurde, das traurige Stapel-Center
ansehen.
(2025/33) 22.3.2025
RGA / Bergischer Volksbote,
abgedruckt 26.3.2025
Stadtentwicklung; Nadja Lehmann „Lindenpassage: BfB will, dass dort ein
Drogeriemarkt einzieht“ (Lokal-Ausgabe Burscheid v. 19.3.2025, S. 23)
In diesen wirren Zeiten
ist das doch ein sehr inspirierender Plan für den lokalen Standort – unser
Linden-Center zu stabilisieren und zu erhalten. Das hätte so viele Vorteile:
Zuallererst das Stärken und Beatmen der Hauptstraße, nach wie vor die Lebensader
„em Dorp“. Der Umwelt nutzt
das Sanieren von Hunderten Raummetern Stahlbeton auch deutlich mehr als das
Neu-Anrühren an anderem Ort. Längs der Montanusstraße
können nun mehr junge Familien bezahlbar und stadtnah wohnen; die Balkantrasse
kann bald wieder ohne Pfropf pulsieren und gesperrter
Parkraum wird wieder frei. Die Schützeneich behält
Licht und Luft, für jung wie alt. Zu guter Letzt muss die Kommune auch keinen
neuen „öffentlichen Platz“ teuer pflastern und unterhalten. Also: Nichts wie
los!
(2025/32) 19.3.2025
Süddeutsche Zeitung
Sondervermögen für Verteidigung und Infrastruktur; zur Behandlung der letzten
Sitzung des 20. Deutschen Bundestags am 18.3.2025 in
der Ausgabe v. 19.3. (Bericht von Markus Balser et al. „Und sie haben Ja
gesagt“; Kommentar von Claus Hulverscheidt „Es geht
um alles“, daselbst S. 3 u. 4) der nachfolgende
Leserbrief:
Am historischen Umfang und am Mut, in noch großer
Ungewissheit kühn aufzubrechen, mag man sich berauschen. Aber das Ergebnis, um
das alles geht, das kennt halt noch keiner. Auch keinen Masterplan,
zielgerichtet und ohne große Verluste dorthin zu kommen.
Leitmotto war an diesem geschichtsträchtigen Dienstag am
ehesten „TINA“ bzw. eine immer wieder annehmlich gemachte epochale
Alternativlosigkeit. TINA aber bezogen auf was konkret? Auf Szenarien von
Diensten, die wir trotz – oder wegen – massiver Fehlbeurteilungen etwa im Falle
Wiedervereinigung oder Afghanistan nun erst richtig aufrüsten müssen? Auf
ungeduldige bis barsche Forderungen von Militärorganisationen oder
Dachverbänden? Auf Programme von Parteien, die doch offenbar unsere unstreitig
sehr großen Steuer-Ressourcen bis heute im Fortsetzungszusammenhang
fehl-alloziert haben müssen, national wie transnational? Auf aktuelle oder auf
überholte Wahlprogramme?
Und war der Dienstag nun eine Sternstunde der Demokratie?
Entschieden hat ein nach Neuwahl im Grunde bereits abgesatteltes und
abgehalftertes Parlament. Ja, auf Grundlage dieser vielbeschworenen
„ununterbrochenen Legitimationskette“. Die hier aber denkbar lose zu einem
Wählerauftrag vom 26. September 2021 (sic!) zurückkoppelte. Und war es die
vertrauensbildende Summe vieler autonomer Einzelentscheidungen, die auch eine
flächendeckende regionale Orientierung anzeigen könnten? Kaum. Dieser Dienstag
war eher minimal repräsentativ, durch den unwiderstehlichen Zwang von
Zählappellen, Probevoten und verpflichtend namentlicher Abstimmung – ein
engmaschig betreutes und abgesichertes Votum; nicht bottom-up,
sondern staatsmännisch top-down, mundfertig für die Geschichtsbücher.
Eher noch als eine Grundschule habe ich eine sauber
durch-choreographierte Tanzschule wahrgenommen und wenn es nun keine
Sternstunde des Parlaments war, dann doch jedenfalls eine des Parlamentarismus.
Wie man es früher dem Adel als Freibrief nachsagte: Wer die Formen beherrscht,
der kann sie übertreten.
(2025/31)
17.3.2025
DAS PARLAMENT, abgedruckt am 22.3.2025
Sondervermögen für Verteidigung und Infrastruktur; Berichte „Pokern bis zum
Schluss“ u. „Das steht in den Gesetzentwürfen“ von [scr], „Finanzplan entzweit die Sachverständigen“ von Peter
Stützle sowie parlamentarisches Profil „Der Nachdenkliche: Karsten Klein“ von
Jan Rübel, S. 1-3 sowie Beilage „Leicht erklärt:
Streit über viel Geld" von Annika Klüh et al.
Nach aberkanntem
Vertrauen und hitziger Neuwahl legitimiert nun eine unverhoffte XXL-Koalition
aus der 20. Legislatur flugs noch einen präzedenzlosen XXL-Ausgaben-Container,
der uns alle zumindest bis in die 23. Legislatur hinein verpflichten wird. Und
der am Ende vielleicht Deutschland sein Triple-A-Rating kosten wird. Alles das:
In großer Hast, ohne weitere Debatte mit dem Souverän. Das ist sportlich.
Aber möglicherweise
setzt die ad-hoc-Koalition der Parteien, die sich ja als Kern des Wahlvolks
verstehen, mit diesem Manöver nun genau den so unverzichtbaren Konsens in der
Mitte aufs Spiel. Oder auch: Bataille gewonnen, Krieg verloren.
P.S.:
Besondere Anerkennung für den Versuch, die beiden Ausgabenpakete und das dafür
gewählte Verfahren in Leichte Sprache zu übersetzen! Sehr gut gefallen
haben mir die ausbuchstabierten 500 Milliarden, der nüchterne Hinweis
"Sowas passiert sonst eigentlich nicht" und die notwendigerweise an
eine Quadratur des Kreises erinnernde Management-Summary am Schluss.
(2025/30) 15.3.2025
Frankfurter Allgemeine, abgedruckt 18.3.2025
Sondervermögen für Verteidigung und Infrastruktur; Leitglosse von Berthold
Kohler „Dann könnte man den Sündenfall verzeihen“ (Ausgabe v. 15.3.2025, S. 1)
Der Zweck könnte – der
Konjunktiv steht hier völlig zu Recht – das Mittel und insbesondere die
abenteuerliche Konstruktion heiligen. Aber zu welchem Zeitpunkt wird das
Versprechen eingelöst? Dummerweise liefern sich nun sowohl die neue wie die
alte Herrschaft jahrelangen, wenn nicht jahrzehntelangen Zweifeln aus und jeder
beliebigen Polemik. Denn dass die gerne bemühte „ununterbrochene
Legitimationskette“ unserer Wahl vom 26. September 2021, also noch zum 20.
Deutschen Bundestag, nun technisch dazu herhalten muss, das von vielen
Politikern für sachgerecht gehaltene Spielgeld i.H.v.
einer Billion zu triggern – das hat schon viel von hintersinniger Rabulistik,
wenn nicht von staatsrechtlicher Winkeladvokatur. Die
Gefahr besteht: Genau diese verfassungspatriotische Schwachstelle wird auf
lange Zeit, man könnte auch sagen „nachhaltig“, von den völlig Falschen zitiert
werden.
Besser wäre gewesen und
es hätte sogar dem vormaligen SPD-Leitbild eines die Bürger aktivierenden
Staates entsprochen: Ein offener Kassensturz, ein kompromisshaftes
Klären der mittelfristigen Prioritäten, sodann Verpflichtungen genau in dem
Maße, die eine neue Administration für ihre Lebensdauer seriös finanzieren
kann. Das ist die Herausforderung; Geld ohne Ende wäre es nicht.
(2025/29) 15.3.2025
BILD
Sondervermögen für Verteidigung und Infrastruktur; Titelthema der Ausgabe v.
15.3.2025 „Die XXL-Schulden kommen“ bzw. Kommentar von Josef Forster „Bei
diesen Zahlen wird mir schwindlig“ und Bericht „Merz: ‚Das ist eine gewaltige
Summe‘ “
Schwindlig wird mir besonders bei der Konstruktion: Eine
abgewählte Mehrheit leiht sich in ihren letzten Zügen noch schnell eine
Billion. Wenn das nicht viel Vertrauen kostet!
P.S., speziell für Herr Forster:
Nach Ihrer Altersangabe werden Sie am 26.9.2021 gewählt
haben, damals zum 20. Deutschen Bundestag. Dann könnten Sie sich sogar noch ein
wenig glücklicher schätzen als die Erstwähler des aktuellen Urnengangs.
Denn nach der von Staatsrechtlern so gerne bemühten Theorie der
„ununterbrochenen Legitimationskette“ war es u.a. Ihr (pardon!) inzwischen
etwas abgehangenes Votum, das nun als statistischer Wille des Volkes diesen
Billionen-Kredit rechtfertigen und legitimieren soll. Eine Schuld, die
künftigen Wähler-Generationen ohne bereits gesellschaftlich debattierten und
erwiesenen Gegenwert schwer auf der Tasche liegen wird.
Aber auch Ihnen kann dabei völlig zu Recht schwindlig
werden. Und Sie könnten sich hier an die halbseidenen Tricks von
Winkeladvokaten erinnern. Nüchtern betrachtet: Dieser sehr schlaue, aber wenig
kluge Coup wird sich voraussichtlich als Wasser auf die völlig falschen Mühlen
erweisen.
(2025/28) 14.3.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Sondervermögen für Verteidigung und Infrastruktur; zu Markus Deckers Kommentar
„Geisterstunde im Parlament“ und zu Daniela Vates‘ Gespräch mit Anke Rehlinger
„Es geht um das Land“ (Ausgabe v. 14.3.2025, S. 4 u. 6)
Sie sprechen mir aus dem Herzen, Herr Decker! Richtig: Aus
guten Gründen darf es keine parlaments- und regierungslosen Tage geben; der 20.
Deutsche Bundestag hat den Staffelstab noch in der Hand, und zwar für
plötzlichen und unabweisbaren Entscheidungsbedarf.
Aber gerade die jungen Wähler müssten sich für dumm
verkauft fühlen, mit diesem auf Generationen verpflichtenden und
priorisierenden Schuldenpaket: Sie sähen eine hervorragend
durch-choreographierte, fachmännisch eingespielte Obrigkeit, die mit staatsmännischem
Pathos ganz andere Töne von sich gibt als eben noch in Wahlprogrammen, aus
einem ohnehin schon völlig überhasteten, praktisch monothematischen Wahlkampf.
Die Wähler dürften im Zuschauerraum sitzen bleiben und klatschen. Für
Verfassungspatriotismus, den wir uns doch alle so sehr wünschen, bleibt da kein
Haltepunkt. Eher denkt man an Winkeladvokaten. Und wünscht sich zurück, was
sich die SPD vor Jahrzehnten auf die Fahnen geschrieben hatte: Einen – die
Bürger – aktivierenden Staat.
Quellen etwa:
https://www.bpb.de/themen/arbeit/arbeitsmarktpolitik/305858/aktivierender-staat-und-aktivierende-arbeitsmarktpolitik/
Anm.:
Vor vielen Jahren habe ich den Wahlprozess einmal ein
wenig sarkastisch dargestellt, siehe bei Interesse https://www.vo2s.de/1070hafn.htm – und die heutige
Situation erinnert mich doch sehr an die aufgeräumte Stimmung an Bord, nach dem
Wiedereinschiffen der Matrosen.
Man mag es aber auch so sehen: Bereits den Wahlkampf zum
21. Bundestag konnte die AfD mit ihrem zentralen Thema „Das Boot ist lange
übervoll“ dominieren. Die massiv verpflichtenden Sondervermögen (egal welcher
Sortierung am Ende) werden bei den Wählern nun leicht als „üble Trickserei“ der
„alten“ Parteien desavouiert werden können, noch nach Jahren. Das würde uns mit
großer Wahrscheinlichkeit noch näher an die Pamir (auf dem letzten Bild
unter dem u.a. Link) führen.
Wenn derart schicksalhafte Entscheidungen getroffen werden
müssen, dann nur vom durch Wahl aktuell definierten Souverän. Die
viel gepriesene „ununterbrochene Legitimationskette“ demokratischer Wahlen auch
noch dafür zu bemühen, das wäre ein epochaler Schildbürgerstreich.
(2025/27) 10.3.2025
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 15.3.2025
Kritik der Linken an NATO u. EU; Markus Decker: „Ideologie schlägt
Wirklichkeit“ (Ausgabe v. 10.3.2025, S. 4)
Der Ideologieverdacht ist leicht erhoben, hier gegen die
Linke. Nun mag man aber auch bei den raumgreifenden Auslandseinsätzen von NATO
oder EU incl. Bundeswehr seit 1992 annehmen, dahinter hätte eine aggressive
Weltanschauung zur eigennützigen Neuordnung dieses Globus gesteckt. Die
damaligen Absichten einiger Beteiligter mögen ja lobenswert,
wenngleich auch etwas naiv gewesen sein – der generelle Output war nun einmal
desaströs, auch der Blutzoll gerade für die Zivilisten. Im Falle der Ukraine
sollten wir uns m.E. ebenfalls nüchtern fragen: Sind es hunderttausende Tote
eines anderen Landes (sic!) für uns wert gewesen? Oder werden es weitere Tote
wert sein, open ended? Steckt hierin nicht
eine völlig ungelöste Gewissensfrage?
Nun hat die Linke bei den Wahlen gerade überraschend viele
unter den Jüngeren überzeugt. Das könnte man auf die Naivität der Jugend
zurückführen – oder auf ein schlüssiges Bedürfnis nach mehr humanitärer,
vielleicht gar humanistischer oder christlicher Orientierung, als Gegenbewegung
zu einer seit Jahrzehnten immer kühleren und stärker militärisch durchdachten
Außen- und Sicherheitspolitik. Gerne zugegeben: Auch solche Gedanken ließen
sich als hoch ideologisch und vorerst unwirklich brandmarken und abtun.
P.S. nur kleine Urlaubsbetrachtungen:
Seit Jahren verbringen wir einige Zeit im Herbst und/oder
Winter in Südtirol, gerne etwa in St. Ulrich oder Kastelruth. Die wechselhafte
Historie dieser Region bis zurück zu Ettore Tolomei
oder gar Andreas Hofer ist uns sehr gut vertraut. Tatsächlich sehen wir die
wirtschaftlich sehr erfolgreiche, aber keineswegs spannungsfrei garantierte
Südtiroler Kohabitation mehrerer Ethnien nach wie vor als modellhaft auch für
die Ost-Ukraine an (die, seltsames Zusammentreffen, sogar nach 1939 als
zusammenhängender Siedlungsraum für diejenigen Südtiroler eingeplant war, die
im Rahmen der Optionspflicht für Deutschland votiert hatten).
Nun: Bis vor wenigen Jahren zeigten viele Speisekarten (in
Südtirol) eine kyrillische Abteilung, und zwar wegen der dynamisch zuwachsenden
Urlauber aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion; in den Seilbahnen wurde an
Absperrungen auch auf Russisch gewarnt.
Das alles ist heute rückstandsfrei verschwunden, ebenso
natürlich wie die dort angesprochenen Gäste. Und am letzten Tag unseres Urlaubs
in der vergangenen Woche durften wir in einer sonnigen Mittagspause auf der
Seiser Alm erstmals eine Militärmaschine beim Absetzen von ca. 20
Fallschirmjägern bestaunen. Eine schöne neue Welt, die uns – nehmen Sie es
bitte nicht übel – allerdings nicht mehr, sondern erschreckend viel weniger
Stabilität, Verständnis oder friedliche Koexistenz verheißt. Dies nicht zuletzt
wegen einer über Jahrzehnte zunehmend robusten, wenig einfühlsamen eigenen
Politikentwicklung, gerne auch auf Kosten Dritter. Es ist dies ein Prozess, den
wir als tief ideologisch bedingt und als noch dazu sehr verhängnisvoll
ansehen.
(2025/26) 6.3.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Politik nach der Wahl; zur parallelen Ankündigung von Sondervermögen für
Infrastruktur und für Aufrüstung (Beiträge von Gerhard Voogt
„Wüst: Geld soll schnell bei Städten landen“; Tim Szent-Ivanyi
„Kann Deutschland neue Schulden überhaupt verkraften?“ sowie „Medizin für
Europas kranken Mann“ und Markus Decker „Neue Milliarden für die
Bundeswehr“ in der Ausgabe v.6.3.2025, S. 1, 2, 4 u. 5)
Sondervermögen, Wundervermögen? Nette Umschreibung eines
gewaltigen neuen Generationenpaktes, bei dem die Anforderungen und Wirkungen
alles andere sind als klar und unstreitig. Und alles wirkt auf eine bizarre
Weise unernst, auch mangels vorheriger Anhaltspunkte während der
Wahlphase.
Natürlich: Es gibt sehr reale und erlebte Herausforderungen
wie die der Umwelt, bei jedem kleinen Waldspaziergang erfahrbar. Oder vom
Rotweinwanderweg an der Ahr. Wir sehen und spüren jahrzehntelange Versäumnisse
beim Unterhalt der Verkehrsinfrastruktur, dito bei einer verlässlichen
Finanzierung der kommunalen Ebene. Aber zur mit Macht wiederentdeckten
nationalen Sicherheit: Hunderte von Milliarden hatten wir NATO-Partner in den
letzten 30 Jahren in Auslandseinsätze investiert, die überwiegend gescheitert sind,
siehe nur Somalia, Afghanistan oder Mali. Und diese Einsätze hatten
signifikante Migration getriggert, zuerst vom Balkan, dann aus dem Nahen und
Mittleren Osten. Was mir hier nachhaltig fehlt, ist eine nüchterne
Bestandsaufnahme und Verhandlung mit den Bürger*innen: Was waren/sind die
Ziele, was waren/sind die Kosten und Lasten? Keinen Bedarf habe ich an ratlosen
Phrasen wie „Whatever it
takes“, was sich von „Viel hilft viel“
nicht unterscheidet. Wir sollten auch nicht aus dem Blick verlieren: Im Rahmen
eines Verteidigungsbegriffs, den wir in den Neunziger
Jahren räumlich und zeitlich machtvoll ausgedehnt hatten, waren wir nicht die
Herausgeforderten, wir waren die Herausforderer.
Wir tragen damit Mitverantwortung für eine heutige globale
Instabilität. Wenn wir dies im Zaum halten wollen: Sollten wir dann nicht eher
auf Entspannung hinwirken? Eher als auf nach oben offene weitere Spannung, in
einem nächsten Eskalationsschritt?
P.S.
Nach meinem Verständnis einer vitalen Demokratie ist die Außen- und
Sicherheitspolitik gerade wegen der tiefgreifenden innerstaatlichen
Risiken keine Königsdisziplin und sie ist nicht davon befreit, ihre
relevanten Strategien mit den Bürger*innen zu verhandeln und zu vereinbaren.
Der vor kurzem verstorbene frühere Bundespräsident Horst Köhler hatte eben dies
sehr prägnant formuliert, als ausdrücklichen Auftrag an die Abgeordneten und
Parteien (Auszug aus der Rede vom 10. Oktober 2005 auf der Kommandeurtagung
anlässlich des 50jährigen Bestehens der Bundeswehr:
https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Horst-Koehler/Reden/2005/10/20051010_Rede.html):
„VIII. Wenn die Deutschen so wenig vom Ernst des Lebens
wissen, auf den die neue Bundeswehr eine Antwort ist, dann werden sie nur
schwer einschätzen können, welchen Schutz die neue Sicherheitspolitik
verspricht, welche Gefahren sie möglicherweise mit sich bringt, ob der Nutzen
die Kosten wert ist und welche politischen Alternativen Deutschland und die
Deutschen bei alledem eigentlich haben. Das müssen sie aber einschätzen können,
damit sie die nötige demokratische Kontrolle ausüben können, damit sie innerlich
gewappnet sind für die kommenden Herausforderungen und damit sie den Dienst
ihrer Mitbürger in Uniform zu schätzen wissen und aus Überzeugung hinter ihnen
stehen. …“
Die Teilhabe der Bürger*innen etwa an Planungen für einen
Anteil der Rüstungskosten an der jeweiligen Wirtschaftsleistung genügt m.E.
einem demokratischen Anspruch bisher nicht. Zum 2014er Beschluss
betreffend das damalige 2%-Ziel siehe etwa https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2021/heft/6/beitrag/nato-das-2-ziel-im-kontext.html.
Eine öffentliche Begründung oder gar Debatte dazu gab und
gibt es m.W. bis heute nicht. Der Dialog wäre aber gerade angesichts der Höhe
und Verbuchung der debattierten Mittel dringend geboten. Es sind dies Mittel,
die auch und gerade als Sondervermögen die langfristige Leistungsfähigkeit des
Staates – hinsichtlich dann ggf. gefährdeter weiterer Staatsziele –
weitestgehend im Blindflug manipulieren können, zulasten künftiger Wähler*innen
und deren Budgethoheit.
(2025/25) 6.3.2025
DIE ZEIT, veröffentlicht im Internet-Angebot der ZEIT am 6.3.2025 = https://www.zeit.de/leserbriefe/2025/27-februar-2025-ausgabe-nr-9
Politik nach der Wahl; zum Leitthema „Bloß nicht scheitern“ der Ausgabe No. 9 v. 27.2.2025 und zur „Lage der Nation“ im Feuilleton
Bitte, bitte nicht erneut die Drama-Queen, mit dem zagenden
Motto „Nicht scheitern!“ Durch breite mediale Dramatisierung haben wir schon
die aktuelle Legislatur um die Ecke gebracht, vor ihrer Zeit.
Besser, wir definieren und lösen Sachfragen, etwa eine
kluge Anpassung unseres arg zerzausten Geschäftsmodells. Die „Lage der Nation“
im Feuilleton der ZEIT-Ausgabe No. 9 bestärkt mich in
der Annahme: Das Schwerpunktthema der 2025er Wahl – eine dämonisierte
Einwanderung – ist wenig repräsentativ für die Nation. Und folgerichtig sind es
dann auch nicht die neu Erwählten. Angst ist nicht der Schlüssel. Sondern
lakonische Zuversicht, so wie sie aus der inspirierenden "Lage der
Nation" spricht.
(2025/24) 18.2.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Friedenstruppen für die Ukraine; zur Berichterstattung u. Kommentierung zu
etwaigen Friedenstruppen für die Ukraine in der Ausgabe v. 18.2.2025 (Sven
Christian Schulz „Scholz bremst bei Friedenstruppen“ und „USA suchen bereits
eine Friedenstruppe“; Leitartikel von Ludwig Greven „Mit US-Hilfe ist nicht
mehr zu rechnen“, Stadt-Anzeiger S. 1, 2 u. 4) der
nachfolgende Leserbrief:
Völlig richtig: Die Geschicke unseres Kontinents sollten
wir endlich selbst in die Hand nehmen, mit Verteidigung nach eigenem Maß ebenso
wie mit initiativer Diplomatie. Das heißt aber nicht, sich bei der Forderung
nach Friedenstruppen schnell in die hinteren Reihen zu verflüchtigen, nach
bester TTV-Manier. Der Konflikt hatte schon viel zu lange den strengen Geruch
des Trittbrettfahrens, einer Stellvertreter-Rolle der Ukraine für die
Interessen der westlicheren Staaten des Kontinents: Wir waren gerne mit der
Haut anderer mutig; eigene Verluste waren nicht zu besorgen, gerade nicht für
Wahlen.
Wenn wir nun im Sinne der Menschenrechte unterwegs sein
wollen, und zwar vor Ort: Dann helfen wir unverzüglich, diese Blutpumpe mit
heute bereits mehr als 100.000 – fremden! – Opfern dauerhaft zu stoppen. So
etwas wie „Lieber tot als rot!“, das rufen
typischerweise schlaue Menschen, die in Sicherheit sind. Oder in der Etappe.
Angenehmer Nebeneffekt: Es könnte nun die erste deutschen
Kabinettsentscheidung für einen Auslandseinsatz werden, die vom gesamten
Parlament unisono mitgetragen wird. Und dass nun ein Trump-Telefonat eine
weitere Zeitenwende ausgelöst hat: Das sollte nicht stören, wenn wir humanitär
vorankommen wollen. Gönnen wir's ihm und machen's künftig selbst.
P.S. zu TTV:
"Tarnen, täuschen und verpissen", die Basis-Lerneinheit während der
Grundausbildung, anderenorts auch mit dem "Ohnemichel" umschrieben
(2025/23) 17.2.2025
Frankfurter Allgemeine
Trumps Ukraine-Initiative; Leitglossen „Trumps Paukenschläge“ von Berthold
Kohler und „Ungefilterter Trumpismus“ von Nikolas Busse in den Ausgaben v. 14.
und 15.2.2025
Meine Einschätzung nach der nunmehrigen Münchner
Zeitenwende: Wenn Rüstung defensiv ist, dann wird sie auf signifikante
Perspektiven für Entspannung in Osteuropa reagieren müssen. Wenn Rüstung gar
nicht oder gar mit einem vierschrötigen „Jetzt erst recht!“ reagiert, dann
gewinnt das paranoide Narrativ Übermacht und wird selbst zur tödlichen
Bedrohung.
Das erste aber sollte für jede fühlende Seele ein Stopp der
fremden Blutpumpe im Donbass sein. Wie kann es weitergehen? Zunächst die
Geldfrage: NATO-bedingte Zahlungen auf einen plakativen Prozentwert – nein. Das
hatte selbst Marie-Agnes Strack-Zimmermann jüngst noch in einen Zusammenhang
mit Eigeninteressen der US-Rüstungsindustrie gerückt und Schutzgeld nährt halt
keine Freundschaft. Aber Kostenbeteiligung gegen transparente Rechnung – das
ist nur fair: Für Stationierung, für atomare Vorhaltekosten, gerne auch mit
einem ergänzenden Beitrag für deeskalierende Konversion. Mittelfristig müssen
unsere Ressourcen dann in diejenige bevorzugt europäisch beigestellte
Verteidigung fließen, die wir uns leisten müssen und leisten wollen. Die
konsequente Entsprechung zu „America First“ heißt
„Europe First“. Ein offenes Geheimnis dabei: Es sind bereits sehr viele Euro im
System und viel zu viele, nahe bei Prozentpunkten der Wirtschaftsleistung,
werden für nationale Egoismen verschleudert.
Ein attraktives und noch dazu humanes Leitbild einer
weiteren Zeitenwende wäre eine Ukraine nicht als Frontstaat, Wehr-Burg oder dead-end-street, sondern als vitale Schnittstelle für
Kultur, Handel und Tourismus, ähnlich wie Südtirol, das auch einmal extrem blutig von erbitterten Patrioten umkämpft war. Ganz
im Sinne von Immanuel Kant sollten die Bürger Europas in diesem Prozess in der
ersten Reihe sitzen: Qua eigener Betroffenheit müsse, so sagt Kant, das Volk
einen natürlicherweise dämpfenden Einfluss auf Rüstung und Kriegshändel nehmen.
Und bei Handlungen mit Bezug auf die Rechte anderer Menschen sei Recht ohnehin
nur dasjenige, was publik sei.
Quellen:
Zitat Marie-Agnes Strack-Zimmermann,
lt. Kölner Stadt-Anzeiger v. 9.1.2025, S. 2: „Trump erhofft sich, dass der
erhöhte finanzielle Einsatz der europäischen Partner vor allem besonders der
US-Industrie zugutekommt.“ (i.R. des Artikels v. Sven Christian Schulz
„Niemand weiß mehr über die NATO als ich“ [Zitat Trump])
Kant-Bezüge:
„Zum ewigen Frieden“, im Original der ersten Auflage Königsberg 1795 auf S. 22,
23: „Wenn, wie es in dieser Verfassung nicht anders seyn
kann, die Beystimmung der Bürger dazu erfordert wird,
um zu beschließen, ob Krieg seyn solle, oder nicht,
…, sie sich sehr bedenken werden, ein so schlimmes Spiel anzufangen: …“ und
S. 93: „Alle auf das Recht anderer Menschen bezogenen Handlungen, deren
Maxime sich nicht mit der Publicität verträgt, sind
unrecht.“ In der leichter greifbaren Reclam-Ausgabe, die die zweite Auflage
a.d.J. 1796 zugrunde legt (Reclam
Universal-Bibliothek Nr. 1501), finden sich die entsprechenden Passagen auf den
S. 12f u. 50.
Anm. wg. Südtirol:
Südtirol und die Ukraine haben einen sehr interessanten historischen Bezug.
Tatsächlich waren die (heutige) Ost- und Südukraine und insbesondere die Krim
bereits als zusammenhängender Siedlungsraum für diejenigen Südtiroler Familien
in den Blick genommen, die i.R. des berüchtigten 1939er Options-Verfahrens für
die deutsche Kultur und für „Heim ins Reich!“ gestimmt hatten. Die deutsche
Besatzung hatte dort auch bereits durch großmaßstäbige Vertreibung und
Vernichtung etwa unter den Krim-Tataren „Quartier gemacht“. Zum Glück hat der
weitere Kriegsverlauf die schon vorgesehene Umsiedlung verhindert; sonst wäre
Südtirol heute halt auch nicht Südtirol.
(2025/22) 16.2.2025
DER SPIEGEL
Ukraine; Christof Gunkel und Katja Iken „Sag mir, wo die Demos sind“ (Ausgabe No. 8 v. 15.2.2025, S. 32ff)
Es braucht wohl gerade mal keine Demos. Jetzt, da die USA
ihre Skizze der neuen Ukraine festgeschrieben haben: Krim und Donezk-Region
russisch, keine Waffenhilfen mehr und auch kein US-Peacekeeping.
Welches Pech für die NATO: Nach 1990 plötzlich ohne
Endgegner und gleich hochflexibel umgestellt auf räumlich und zeitlich
erweiterte Verteidigung – out-of-area und präventiv.
Dabei aber überwiegend erfolglos geblieben, jedenfalls zu teuer und mit
hässlichen Kollateral-Schäden. Dann zur Abwechslung wieder dem altbösen Feind auf die Pelle
gerückt, gleichzeitig zur Waffendrehscheibe mutiert. Und nun Frust und déjà-vue: Im Osten erneut abruptes Tauwetter.
Vermutlich könnte man nun höchstens noch pro NATO
demonstrieren. Das wäre sogar in mehrfacher Dimension schlüssig: NATO-Einsatz
vom Nordatlantik bis zum schmelzenden Pol!
P.S.
Während des oben beschriebenen Mittelstücks (= NATO-Phase
„out of area“) hatte die
Presse teils erstaunlich sekundiert, etwa mit dem wirkmächtigen SPIEGEL-Titel
Nr. 47 v. 19.11.2006 „Die Deutschen müssen das Töten lernen“ = https://www.spiegel.de/spiegel/print/index-2006-47.html. Der Aufmacher war
zwar ein Zitat, wurde aber im begleitenden Bericht von Konstantin von
Hammerstein et al. mit genüsslicher Häme für die Bundeswehr unterstützt.
Kaltblütige letale Fähigkeiten hat die Bundeswehr dann etwa am 4.9.2009
bewiesen, bei der an einen monströsen Molotow-Cocktail erinnernden – und wohl
exakt so gemeinten – Attacke auf zwei Tanklaster in einer Kundus-Furt.
Was ich gerne deutlich machen möchte: Die Auslandseinsätze
wurden von einer sehr breiten gesellschaftlichen und medialen Strömung
mitgetragen – und auch damals schon wirkte (Friedens-) Opposition sehr
isolierend, z.B. im Falle der Margot Käßmann (deutlich weniger bei Harald
Kujat, der sich zu ISAF ebenfalls sehr kritisch geäußert hatte). Und trotz
überwiegend defizitärer oder ganz fehlender Zielerfüllung der Auslandseinsätze
und trotz hunderttausendfacher Traumata kam eine systematische politische und/oder
wissenschaftliche Aufarbeitung nie in Gang, hier einmal abgesehen von sehr
begrenzten (zu) offensichtlichen Fehlentwicklungen wie anlässlich der sehr
unrühmlichen ISAF-Abzugsphase. Oder: This goes mostly without saying.
M.E. haben hier auch die für eine ethische Einordnung
besonders qualifizierten kirchlichen / religiösen / weltanschaulichen
Institutionen versagt. Dies quasi im
Fortsetzungszusammenhang dann erneut bei dem tiefen Dilemma, das aus einer
unerträglichen Opferzahl in der gesamten Ukraine und unserem ganz
unverhohlen geäußerten Interesse an einem Stellvertreter- bzw. Abnutzungskrieg
resultiert: Wir sind für eigene Zwecke zu gerne mit der Haut anderer mutig,
dies selbst bei eigenen historischen Verursachungsanteilen.
P.P.S.
Danke für den Anklang an Pete Seeger („Where
have all the flowers gone = https://www.youtube.com/watch?v=T1tqtvxG8O4). Im
gemeinschaftlichen Bewusstsein fehlt er m.E. tatsächlich ebenso wie z.B. Donovan’s „Universal soldier“ = https://www.youtube.com/watch?v=jBF3K1J9wHI oder Dylan’s „Blowing in the wind“ = https://www.youtube.com/watch?v=cQBVgtcR2rM. Aus den Ohren, aus
dem Sinn. Andere Zeit.
(2025/21) 15.2.2025
DIE WELT
Ukraine; Jacques Schusters Kommentar „Albtraum der Allianzen“ in der Ausgabe v.
14.2.2025, S. 1
Werden die Europäer nun mit vollen Händen aufrüsten? Etwas
sollten wir noch zuwarten.
Als erstes sollten wir den Albtraum aus dem Blut anderer
enden lassen. Nach heutigem Stand sind bereits ca. 130.000 Tote zu
beklagen, davon etwa 10% Zivilisten aller Altersstufen. Das Schweigen der
Waffen sollte dann, gerade wenn man den Konflikt auch als Stellvertreter- oder
Abnutzungskrieg in unserem strategischen Interesse gesehen hat, künftig unser
Gewissen entlasten.
Als nächstes müssen wir unverzüglich eine zukunftsweisende
europäische Sicherheitsarchitektur angehen. Und zwar nicht gegründet auf mehr
Raketenbündel mit Haartriggern. Sondern auf höchst brisante, gemeinsame und
sehr aktuelle Interessen, zuallererst das kooperative Bekämpfen des
gewaltbereiten Islamismus. Und erneut solltenn wir
auf Handel, Wandel und zivile Begegnung bauen. Das wird dauern und muss neue
Provokationen überstehen.
Aber bitte: Das alles wirklich mit diesen strafwürdigen
Unmenschen? Nun: Vergessen wir nicht die erste europäische Hauptstadt, die wir
nach 1945 bombardiert haben, dabei sehr gezielt die zivile Infrastruktur und
mit Hunderten von zivilen Toten: Belgrad i.J. 1999. Wir Deutsche waren auch vor
1945 dort gewesen, mit viel Gewalt.
Quellen zu Casualties etwa:
https://www.deutschlandfunk.de/wie-viele-tote-und-verwundete-gibt-es-im-ukraine-krieg-102.html
Anm.:
Mein Vater ist im September 1944 vor Belgrad schwer verletzt worden.
Weitere Anm.:
Im Rahmen der NATO-Operation (sic!) OAF wurde am 7. Mai 1999 die Botschaft der
VR China in Belgrad mit bunkerbrechenden Geschossen angegriffen und in
wesentlichen Teilen zerstört - dies zumindest grob fahrlässig. Als Erklärung
dienten damals "veraltete Karten des CIA". Die disruptiven und
weiterwirkenden Folgen dieses sog. "Unfalls" für die heutige
Weltordnung sind nur sehr schwer zu überschätzen.
(2025/20) 12.2.2025
DIE ZEIT, veröffentlicht am 13.2.2025 im Internet-Angebot der ZEIT = https://www.zeit.de/administratives/series/2025-02/6-februar-2025-ausgabe-nr-6
Eliten; Interview von Johanna Jürgens und Roman Pletter
mit Bill Gates („Trump gab mir seine Nummer. Ich werde anrufen, wenn ich
verhindern kann, dass Millionen sterben“) in der Ausgabe No.
6 v. 6.2.2025, S. 19f
Dank und Anerkennung für das sehr beeindruckende Interview
mit Bill Gates. Es gewährt tiefe Einblicke in den Maschinenraum unserer
Technik-Kulturen, in unsere Anreiz- und Belohnungsmechanismen. Wenn Bill Gates
über Anzeichen eines Asperger-Syndroms spricht, dann offenbar auch über
Gemeinsamkeiten mit Elon Musk und weiteren Techno-Gurus. Gerade der Nerd und
die Nähe zu den MINT-Disziplinen werden in unserer Zivilisation wirtschaftlich
und politisch besonders honoriert; die Wertschätzung steckt schon in unseren
Lehrplänen und Auswahlmechanismen. Dies spätestens, seit der US-Amerikanische
Eisenbahnmagnat Leland Stanford einen Test in Auftrag
gab, um seine Rekrutierung zu rationalisieren und zu optimieren. Logischerweise
steckten in einem nach seinem Tod an der von ihm gestifteten
Stanford-Universität fertiggestellten Werkzeug, das als Stanford-Binet Ahnherr der meisten
folgenden IQ-Tests werden sollte, viele Dampfkessel, Pleuel, Tabellen und die
unter Beweis zu stellende Befähigung zu hochverlässlicher Analyse –
deterministisch, vektor-haft, eindimensional, kaltblütig, anorganisch.
Immerhin zeigt das Interview am Beispiel von Gates und
Musk, wie sehr ähnliche Sonder-Begabungen und das grundlegende Talent zur
Disruption von unterschiedlichen Graden humaner Ziele reguliert sein können. Im
Falle von Bill Gates ist dies offenbar deutlich empathischer verknüpft als bei
Elon Musk, vermutlich bedingt durch positive familiäre Prägungen. Umso
tragischer, wenn Bill Gates‘ menschennahe Zielstellungen – etwa: Impfprogramme
aufrechtzuerhalten – von einer kalten Politik überholt werden: Dass Gates Trumps
Nummer hat, das wird kalkulierbare tödliche Erkrankungen von Millionen heute
kaum noch verhindern können.
P.S.
Vermutlich muss man in der Geschichte nicht weit zurückgehen, um sehr ähnliche
Strukturen und Persönlichkeiten zu finden. Henry Ford, der damals
reichste Mann der Welt, dürfte einen ähnlich technokratischen (und von manichäischen
Feindbildern geprägten) Blick auf die Welt
gehabt haben wie Elon Musk, ebenso der Flugzeug-Pionier Charles Lindbergh,
beides prominente Exponenten der damaligen "America-First“-Bewegung".
Möglicherweise traf das auch auf Adolf Hitler zu, dem der Psychologe
Koch-Hillebrecht in seiner ausführlich belegten Analyse „Homo Hitler“ eine
ausgeprägt eidetische und technische Begabung und eine „Kalter-Fisch“-Persönlichkeit
zuschreibt, beides übrigens gleichermaßen einem Zeitgenossen und profilierten
Gegner Hitlers: Thomas Mann. Zu Leland Stanford ist noch anzufügen, dass auch
er gemeinhin zu den „robber barons“ bzw. „Räuberbaronen“
der frühen Industrialisierung gezählt wird, die Joseph Biden in seiner
kürzlichen farewell address
bzw. Abschiedsrede warnend angesprochen hatte (siehe etwa https://www.nytimes.com/2025/01/15/us/politics/full-transcript-of-president-bidens-farewell-address.html).
(2025/19)
12.2.2025
RGA / Bergischer Volksbote
Kommunalwahlen 2025; Bericht von Wolfgang Weitzdörfer über den SPD-Bürgertreff
in der Montanusstraße '„Was lange währt, wird endlich gut“ Das bietet der neue
Bürgertreff der SPD' (Ausgabe v. 8.2.2025, S. 23)
Der eigene
Bürgermeister-Kandidat der SPD für die Kommunalwahl am 14. September ist Gold
wert. Politische Artenvielfalt ist fast so wichtig wie Biodiversität. Und
wählen können nach Definition immer nur die, die eine Wahl haben.
Das sage ich, auch wenn
ich den amtierenden Dirk Runge für einen befähigten Bürgermeister halte, in der
Sache ebenso wie in der Form. Aber auch der Amtsinhaber wird durch einen
Herausforderer Ralph Liebig nun zu mehr Profilierung und Rechenschaft gedrängt,
also zu allerbestem demokratischem Wettbewerb.
(2025/18) 7.2.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Gaza; Berichterstattung u. Kommentierung von Trumps Idee einer künftigen
Nutzung des Gaza-Streifens in der Ausgabe v. 6.2. 2025 („Empörung über
‚Riviera‘-Plan für Gaza“ auf S. 1; Karl Doemens Bericht “Trump will
Gaza-Streifen zur ‚Riviera‘ machen“ auf S. 2; Matthias Kochs Leitartikel
„Trumps Traum von Mar-a-Gaza“ auf S. 4)
Sehr richtig, Trumps Gaza-Plan passt perfekt zu einem
Immobilien-Mogul: Zuerst entwohnen bzw.
gentrifizieren, dann planieren und mit völlig neu aufgebauter Nutzung groß
absahnen. Das Projekt hat denn auch viel von der „schöpferischen Zerstörung“,
die selbst ihr Erforscher, der österreichisch-amerikanische Nationalökonom
Joseph Schumpeter, als kritisch und gerade als nicht nachhaltig ansah.
Und höchst wichtig ist Matthias Kochs Erinnerung an
düsterste Kapitel der Weltgeschichte. Der sehr hellsichtige Jehuda (Martin)
Bauer hat 1994 das zunächst sehr irritierende Buch „Jews for
Sale? Nazi-Jewish Negotiations
1933-1945“ veröffentlicht. Es dokumentiert u.a. einen frühen Eichmann mit fast
abenteuerlichen Versuchen, jüdische Mitbürger nach Kräften außer Landes zu
bringen, etwa unter Umgehung von Devisenvorschriften. Dieser Eichmann, an dem
Hannah Arendt 1961 „die Banalität des Bösen“ identifizierte, der hatte mangels
größerer Erfolge seiner Vertreibungsprojekte am Ende kaltblütig die „Endlösung“
ersonnen und organisiert. Und genau das sollte man bei erklärten Technokraten
nie ausschließen, zumindest nicht die inhumanen Umstände und die zu erwartenden
humanitären Verluste bei einer Umsiedlung im industriellen Maßstab.
Dies einmal völlig abgesehen von den Zehntausenden
tickender Zeitbomben, die ein so fröhliches Projekt wie „Mar-a-Gaza“
unweigerlich unter jungen Männern generiert.
Quelle:
Jews for sale? Nazi-Jewish Negotiations, 1933–1945.
Yale University Press, New Haven 1994, ISBN 0-300-05913-2
(2025/17) 6.2.2025
Süddeutsche Zeitung
Gaza; zu Donald Trumps disruptiven Plänen für eine „Riviera des Nahen Ostens“,
speziell zu Bernd Dörries‘ Bericht „Arabische Welt empört über Trumps Pläne“,
Peter Burghardts „Die Welt als Immobilie“, Tomas Avenarius‘ Kommentar „Nicht
vermittelbar“ und Peter Richters „Der 51. Bundesstaat der USA“ (Ausgabe v.
6.2.2025, S. 1, 2, 4 u. 9)
Die zentrale Titelzeile auf S. 1 – „Arabische Welt empört
über Trumps Pläne“ – könnte man noch ein wenig apologetisch deuten: Na klar,
diese Araber sind halt immer leicht aufgebracht und jetzt eben auch über „The
Donald“. Aber im weiteren Verlauf der SZ vom 6. Februar wird die Sprache zu
Recht und zum Glück generalpräventiver: Wir alle sind dadurch tief
betroffen. Unsere mühsam erarbeitete Modellierung einer nahen
und mittleren Zukunft läuft heiß. Es riecht plötzlich wieder wie am Klondike:
Wer schnell und ruchlos zugreift, der hat am Ende die meisten und größten
Nuggets. Sheriffs oder Marshalls sind nicht in Sicht und sind auch gar nicht
gefragt.
Insgesamt wirkt der Plan wie geschaffen für ein Sequel zu
Nine-Eleven: Wir führen nun die Palästinenser ab, aus einem ausgebombten Ghetto
an der Küste in ein bombensicheres Ghetto in der Wüste, wo nicht Milch, nicht
Honig fließen. Und die reichen und schönen und alten Trump- und
Netanjahu-Wähler*innen, die sonnen sich in der ersten Reihe am Mittelmeer. On the beach, gesichert durch
Ledernacken, querfinanziert durch eine reflexhafte Wiederaufbauhilfe der EU und
durch anschwellende Waffenkäufe. Nach Nine-Eleven folgt dann bald Nine-Twelve. Und immer so weiter.
Ist das denn auch nur schlau? Nun: Vielleicht doch, wenn
man so gerne – überall – planiert und neu baut.
P.S.:
Anm.: In seriöseren Zeitaltern hätte man einen solchen Mann
längst dauerhaft untergebracht, vielleicht mit zehn jungen Frauen und reichlich
Bier auf einem Atoll mitten im Pazifik. Ich weiß: Er will nur dealen. Aber er
spielt mit dem Schicksal von Millionen, wenn nicht Milliarden Menschen – und
eben mit dem Risiko von ubiquitären Neuauflagen von Nine-Eleven. Pardon wegen
der zehn Frauen; es sollte hier nur der besseren Anschaulichkeit dienen 😉
„On the beach“:
siehe Nevil Shute’s
dystopischen Roman und sein Titel-Zitat
aus T.S. Eliot’s „The Hollow Men“
(2025/16) 4.2.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Tod von Horst Köhler; Ulrich Steinkohls Beitrag „Ein Staatsmann und unbequemer
Optimist“ (Ausgabe v. 3.2.2025, S. 2)
Die harsche mediale Kritik, die im Jahre 2010 zu Horst
Köhlers Rücktritt geführt hatte, war ebenso distanzlos wie unbegründet; leider
hatte es damals zudem an beherzter politischer Rückendeckung gefehlt. Köhler
hatte ebenso wie andere offizielle Stellen die ISAF-Mission niemals mit Handel
begründet, wohl aber mit humanitären Zielen und Bündnissolidarität. Und
tatsächlich hatten bereits Lothar Rühes Verteidigungspolitische Richtlinien vom
26. November 1992 – und seitdem durchgängig alle folgenden Richtlinien,
Weißbücher und Sicherheitsstrategien – den auswärtigen Handel als vitales
deutsches Sicherheitsinteresse definiert, völlig unbeanstandet auch durch das
Verfassungsgericht. Was Köhler dazu allgemein gesagt hatte, entsprach und
entspricht ganz nüchtern dem Stand der Technik.
Wichtiger aber: Köhlers Rede am 10. Oktober 2005 auf der Kommandeurtagung anlässlich des 50jährigen Bestehens der
Bundeswehr zählt zum Bedenkenswertesten, was je zu einem von der Politik
geschuldeten Dialog zwischen „Bürger“ und „Uniform“ geschrieben und gesagt
wurde. Hätte man auf ihn gehört und hätte man die Bundeswehr in folgenden
Wahlkämpfen nicht sogar bewusst ausgeklammert, wie etwa bei der Wahl zum 17.
Deutschen Bundestag, wir hätten heute eine klare und wesentlich verlässlichere
Basis in der Bevölkerung. Und man hätte diesen wirklich ehrenhaften und
verdienten Präsidenten i.J. 2010 nicht aus dem Amt drängen können, mit an den
Haaren herbeigezogenen Unterstellungen.
Quellen, wie oben zitiert:
Verteidigungspolitische Richtlinien v. 26.11.1992
(Amtsinhaber: Lothar Rühe):
https://www.vo2s.de/mi_vpr-1992.pdf
Rede vom 10.10.2005, auf der Kommandeurtagung
anlässlich des 50jährigen Bestehens der Bundeswehr:
https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Horst-Koehler/Reden/2005/10/20051010_Rede.html
Auszug: „VIII. Wenn die Deutschen so wenig vom Ernst des Lebens wissen, auf
den die neue Bundeswehr eine Antwort ist, dann werden sie nur schwer
einschätzen können, welchen Schutz die neue Sicherheitspolitik verspricht,
welche Gefahren sie möglicherweise mit sich bringt, ob der Nutzen die Kosten
wert ist und welche politischen Alternativen Deutschland und die Deutschen bei
alledem eigentlich haben. Das müssen sie aber einschätzen können, damit sie die
nötige demokratische Kontrolle ausüben können, damit sie innerlich gewappnet
sind für die kommenden Herausforderungen und damit sie den Dienst ihrer
Mitbürger in Uniform zu schätzen wissen und aus Überzeugung hinter ihnen
stehen. …“
2013er Lob des amtierenden CDU-Verteidigungsministers
Lothar de Maizières für den damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück
(„Sicherheitspolitik aus Wahlkampf heraushalten“):
https://www.presseportal.de/pm/55903/2468313
(2025/15) 4.2.2025
Frankfurter Allgemeine
Tod von Horst Köhler; Eckart Lohses Beitrag „Ein weitsichtiger Präsident“
(Frankfurter Allgemeine v. 3.2.2025, S. 8)
Als beispielhaft unter sehr vielen weitsichtigen und zum
Nachdenken anstiftenden Worten Horst Köhlers zitiere ich hier meine
Lieblingsstelle; ich werde sie ständig mit ihm verbinden, weil sie so unerhört
ist, will sagen: solange sie unerhört bleibt:
„VIII. Wenn die Deutschen so wenig vom Ernst des Lebens
wissen, auf den die neue Bundeswehr eine Antwort ist, dann werden sie nur
schwer einschätzen können, welchen Schutz die neue Sicherheitspolitik
verspricht, welche Gefahren sie möglicherweise mit sich bringt, ob der Nutzen
die Kosten wert ist und welche politischen Alternativen Deutschland und die
Deutschen bei alledem eigentlich haben. Das müssen sie aber einschätzen können,
damit sie die nötige demokratische Kontrolle ausüben können, damit sie innerlich
gewappnet sind für die kommenden Herausforderungen und damit sie den Dienst
ihrer Mitbürger in Uniform zu schätzen wissen und aus Überzeugung hinter ihnen
stehen. …“
Dies ist der Kern der Rede Köhlers am 10. Oktober 2005, auf
der Kommandeurtagung zum 50-Jährigen der Bundeswehr.
Das Unerhörte ist die von Köhler daraus abgeleitete Forderung – eine breite
gesellschaftliche Debatte, mit klaren Aussagen zu Herausforderungen,
Bedrohungen, Risiken, Ressourcen und Fähigkeiten (auch) der Bundeswehr. Und zwar:
angestoßen von Parlament, Regierung und Parteien! Diese demokratische
Selbstvergewisserung und Vereinbarung fehlt bis heute.
Und sie wäre doch so nötig, wenn die NATO nun eine fordernde Rechnung über 2,
3, 4 oder 5 Prozent unserer Wirtschaftsleistung aufmacht.
Leider ist die Politik nach Köhlers Rede eher weiter
getrennt vom Volk marschiert. Etwa als im Vorfeld der Wahlen zum 17. Deutschen
Bundestag der amtierende CDU-Verteidigungsminister Lothar de Maizière den
SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück ausdrücklich dafür gelobt hatte, die
Sicherheitspolitik, und zwar die Auslandseinsätze ebenso wie die damalige
Neuausrichtung der Bundeswehr (sic!) aus dem Wahlkampf heraushalten zu
wollen.
Wir werden diese Fragen in unserem heute besonders
kurzatmigen und lärmenden Wahlkampf nicht lösen können. Aber wer immer Einfluss
auf die kommende Legislaturperioden-Vereinbarung haben wird, er sollte Köhlers
Vermächtnis ganz oben auf die Tagesordnung setzen. Verteidigung geht nach aller
Erfahrung eben nur mit dem Volk, siehe oben.
Nur kurz zur Ehrenrettung Horst Köhlers wegen des undistanzierten Vorwurfs der Kriegstreiberei, der zu seinem
Rücktritt geführt hatte, dies auch mangels beherzter politischer Rückendeckung:
Bereits die Verteidigungspolitischen Richtlinien von 1992 hatten als ein
„vitales deutsches Sicherheitsinteresse“ wörtlich das „Aufrechterhalten des
freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten in aller Welt im
Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung“ definiert. Genau das war und ist
in allen folgenden Richtlinien, Weißbüchern und Sicherheitsstrategien der Stand
der Technik, unbeanstandet auch vom Verfassungsgericht. Etwas anderes hat ein
loyaler, dabei aber immer nachdenklicher und weitsichtiger Bundespräsident
Köhler meines Wissens nie gefordert.
Quellen, wie oben zitiert:
Rede vom 10.10.2005, auf der Kommandeurtagung
anlässlich des 50jährigen Bestehens der Bundeswehr:
https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Horst-Koehler/Reden/2005/10/20051010_Rede.html
PM zu dem o.g. Lob de Maizières für Steinbrück
(„Sicherheitspolitik aus Wahlkampf heraushalten“:
https://www.presseportal.de/pm/55903/2468313
Verteidigungspolitische Richtlinien v. 26.11.1992
(damaliger Amtsinhaber: Lothar Rühe):
https://www.vo2s.de/mi_vpr-1992.pdf
Das ist eine sehr gute
Nachricht für unsere lokale Demokratie: Die Burscheider SPD wird sich bei der
Kommunalwahl am 14. September nun mit einem eigenen Kandidaten profilieren.
Danke! Denn gerade junge Wählerinnen und Wähler könnte es sonst abstoßen, könnte
es gar an die DDR erinnern, wenn sie hier nur mit „Ja“ oder „Nein“ abstimmen
dürften. Das hätte ein strenges Geschmäckle – wie vorfabriziert und abgekartet.
Sicher wird es für
Ralph Liebig kein Selbstläufer. Die beiden christdemokratischen Fraktionen
hatten sich bereits für den gut eingeführten Amtsinhaber Dirk Runge
ausgesprochen und sie repräsentieren mit ihren immerhin 25 von 40 Rats-Sitzen
zusammen mehr als 60% der Bürgerschaft. Aber vielleicht wird sich die sehr
begrüßenswerte SPD-Initiative am Ende zumindest mit einer künftig wachsenden
Rats-Fraktion auszahlen.
(2025/13) 1.2.2025
BILD
Asyldebatte; zur Titelzeile „Bundestags-Wahnsinn!“ und Kommentar “Rot-Grün ist
Wahlkampf wichtiger als Bürgerwille“ (Ausgabe v. 1.2.2025, S. 1 u. 2)
Parlament stimmt gegen Bürger-Mehrheit? So geschehen auch
etwa im April und Juli 1993 zum Bundeswehr-Einsatz in Somalia, einem der ersten
Auslandseinsätze. Und dann ebenso weit überwiegend in der Folge. Gutes Volk –
schlechtes Volk?
Quellen zum Somalia-Einsatz etwa:
https://dserver.bundestag.de/btp/12/12151.pdf#P.12925 zur Sitzung 12/151 v.
21.4.1993
https://dserver.bundestag.de/btp/12/12169.pdf#P.14579 zur Sitzung 12/169 v.
2.7.1993
Anm.:
Vermutlich hatte das Volk jedenfalls zu UNOSOM II das deutlich bessere Gespür:
Die Mission musste damals sehr bald abgebrochen werden, das Verlegen der
Truppenteile geriet bei dieser Mission ähnlich chaotisch und unter Stress wie
nach der abrupten Beendigung des ISAF-Einsatzes in Afghanistan (zu ISAF siehe
Unterrichtung v. 27.1.2025 zu den Ergebnissenn der Enquete-Kommission: https://dserver.bundestag.de/btd/20/145/2014500.pdf).
Und der allererste offizielle „collateral damage“ bzw. das erste zivile Opfer eines Auslandseinsatzes
wurde bereits für UNOSOM II dokumentiert, des jungen Somali Farah Abdullah,
siehe https://dserver.bundestag.de/btd/12/069/1206989.pdf auf parlamentarische
Anfrage der damals oppositionellen Fraktion der Bündnis-Grünen. An die Familie
des Opfers wurde damals zur Streitbeilegung das traditionelle „Blutgeld“
entrichtet, wie in der Folge auch in vielen Fällen in Afghanistan, z.B. nach
der Bombardierung von zwei Tanklastern in einer Kundus-Furt am 4.9.2009, siehe
zu diesem Luftschlag https://de.wikipedia.org/wiki/Luftangriff_bei_Kundus
(2025/12) 28.1.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Bundestagswahl 2025; KStA-Initiative
„Spitzenpolitiker stellen sich Ihren Fragen“ (Ausgabe v. 27.1.2025, S. 3);
Fragen an die Herren Scholz, Wüst, Habeck und Lindner
Problembeschreibung:
Viele Kommunen im Bergischen Land leiden unter einer extrem
volatilen Haushaltssituation. Meine eigene Stadt (Burscheid) war bereits
über Jahrzehnte „Opferstockgemeinde“ mit einem bewirtschafteten Haushalt, ohne
Planungsspielraum bei den sog. freiwilligen Aufgaben. Der aktuelle Trend bei
Einnahmen und Ausgaben zeigt bereits wieder signifikant in eben diese Richtung.
Inzwischen gibt es auch noch einen Unterbietungswettbewerb benachbarter
Kommunen bei den Steuersätzen (Monheim, Leverkusen), der die Problemlage weiter
verschärfen und verfestigen wird.
Frage:
Welche strategischen Maßnahmen hat Ihre Partei in der nun ablaufenden
Legislaturperiode ergriffen, die zur Resilienz kommunaler Finanzen wirksam
beigetragen hat – und insbesondere welche Initiativen haben Sie in Ihr
Arbeitsprogramm für die kommende LP aufgenommen, etwa zu einer besser
ausgewogenen Verteilung der verschiedenen Steuerarten?
Anm.: Ich sehe die
kommunale Ebene unbeirrt als die personelle wie materielle Basis des
Gesamtstaats an – und die realen und in der Fläche fair verteilten
Lebensverhältnisse der Bürgerinnen und Bürger als wesentlichen Garanten für
eine gesamtstaatlich nachhaltig verlässliche Politik. Im umgekehrten Fall: als
einen wirkmächtigen Trigger für politische Instabilität.
(2025/11) 27.1.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Gaza; Bericht und Titelthema „Trump erwägt Umsiedlung von Palästinensern“
(Ausgabe v. 27.1.2025, S. 1)
Trump bleibt sehr berechenbar – ein Mann, der Immobilien in
Bewegung setzen kann. Sein Projekt „Gaza streichen“ hat mehr als dual use. The Donald hatte ja bereits
vorher von diesem unverbaubaren Seeblick geschwärmt. Dazu kommt – und ganz
sicher wird es das historisch vielfach belegte Konfliktpotential mindern – ein
Minus bei Komplexität und ein klares Plus bei Sicherheit, durch eine robuste
ethnische Bereinigung. Ägypten und Jordanien mögen sich derweil für Millionen
neue Feuerköpfe bedanken. Und die Siedler für ein genuine ethnic settlement.
Jedenfalls der triste Eindruck eines zu Krümeln gebombten
Ghettos, der lässt sich durch einen von Grund auf frischen Anstrich schnell
zerstreuen. Open the doors
for a brand new Trump Show! Und Bibi darf seinen Lebensabend in
einem Penthouse an der Seafront verbringen. On the promised land,
single-stated. Schöne neue Welt. Ich weiß: Er
will doch nur dealen.
(2025/10) 25.1.2025
DIE ZEIT, veröffentlicht am 30.1.2025 im Internet-Angebot der ZEIT = https://www.zeit.de/leserbriefe/2025/23-januar-2025-ausgabe-nr-4
US-Wahl und Folgen; Jörg Lau: „Nimmersatt“ (Ausgabe No.
4 v. 23.1.2025, S. 5)
Man ist versucht, den
so unästhetischen Eindruck abzuspalten: Trump – das ist doch nur eine Farce,
eine Fratze, eine Episode, jedenfalls für uns nicht repräsentativ. Aber nach
allen Umständen wäre das eine fromme und bequeme Selbsttäuschung. Denn Trump –
das ist der Westen, das ist ganz offen Techno- und Meritokratie und das sind
auch wir. Nur halt in einem Bild wie in dem eines weit fortgeschrittenen Dorian
Gray. Schon lange in argen Wettbewerb geraten, versucht „The Donald“ Ressourcen
zu maximieren, Meinungsbildung zu streamlinen, gleichzeitig Menschenmengen und
Konkurrenz en gros loszuwerden: Wert gegen Werte.
Klein und gemein und
für einen guten Schnitt – das können wir schon lange. Wie just im Ländle, wo
die Grünen (sic!) die Rüstung als Innovations- und Wachstumsmotor entdecken,
für eine schwächelnde Auto-Industrie. Dazu würden einlullende Wahl-Botschaften passen:
Gegen China abgeschirmter Arbeitsplatz, gegen Russland gesichertes Häusle. Und
eben ein gegen Konkurrenz gehärteter Schnitt, der wegen der besonders hohen
Wertschöpfung in der Rüstung voraussichtlich sogar per saldo
Arbeitsplätze kosten würde.
Quellen zum zweiten Abs.:
Roland Muschel,
Süddeutsche v. 21.1.2025, S. 1: „Panzer statt Porsche“
https://www.sueddeutsche.de/politik/baden-wuerttemberg-gruene-verteidigungsindustrie-wachstumsmotor-li.3183094
Zur negativen
Arbeitsplatzbilanz bei Stärkung der Rüstungsindustrie siehe schon Lora Lumpe
& Paul F. Pineo "Do U.S. Arms
Sales Cost American Jobs?“, Intersect
May 1994, p. 18: im oben dargestellten Sinne bejahend, unter Hinweis auf die im
Waffenhandel typischen offset agreements zu Gegenleistungen in Gestalt signifikanter
gegenläufiger und Arbeitsplatz-intensiver "ziviler" Warenströme.
(2025/9) 24.1.2025
Frankfurter Allgemeine
US-Wahl und Folgen; Andreas Ross‘ Leitglosse „Trumps Blitzkrieg“, Winand von
Petersdorffs Kommentar „Trumps Preisfrage“ und Dars Grünbeins „Inauguration“
(Ausgabe v. 21.1.2025, S. 1, 9 u. 15)
Auch unter Blockbustern könnte man ein übergreifendes
Muster der Trump-Wahl suchen. Klar, bei der Ähnlichkeit eines Tesla zu Dr.
Emmett Browns De Lorean DMC 12 denkt man
gleich an „Back to the
Future“. Aber nein, es geht hier natürlich weniger um eine Fehlerkorrektur
in der Vergangenheit, um danach Gegenwart und Zukunft fairer zu gestalten. Es
ist auch nicht das Narrativ von „Eve and the last
Gentleman“, wo aus der Vergangenheit induzierte gute Etikette die moderne
Partnerwahl befruchtete. Am ehesten passt wohl doch „Star Trek" und
nun ein taffes „Beam us back, Scotty!“. Also:
ein one-way-reset in eine Vergangenheit, die etwa
zwischen Hiroshima und Sputnik für kurze Zeit noch monopolar gedacht werden
konnte. Alles das nun als frischer Beginn eines augusteischen Friedens- und
Normen-Diktats, damit eines ewig golden geplanten US-Zeitalters. Monopolar
heißt dann konsequent auch, das System eigennützig mit allem Nützlichen
vollzupumpen, gleichzeitig Isolation aufzutragen, um Energieverluste zu
minimieren und um gleichzeitig Xeno-DNA jeder Art – ob in Menschen oder ihren
Artefakten – fernzuhalten.
Für die gemessene Lebenszeit des Inaugurierten mag ein
solcher Plot stimulierende Effekte triggern, aber doch nur von der Art einer
Sumpfblüte. Schlimmer werden die sehr kurzfristigen Folgen für die Partner
sein. Nach der Logik des bisherigen Setting wirtschaften sie typischerweise
hart am Break-even-Point und mögen ohne ausreichende Anpassungszeit in ihren
abrupt gestressten Biotopen zusammenbrechen. Aber genau das ist ja der
strategische Witz des Blitzkriegs – kaltblütig bleiben, schneller sein. Trösten
wir uns an der eigenen Erfahrung, dass der Blitz eben nichts ist, auf das man
bauen sollte.
P.S.
Besonderen Dank für das Einordnen des distanzierenden Hutes in Durs Grünbeins
süffigem Gedicht. Tatsächlich war meine erste Assoziation eine andere – Clint
Eastwoods Hut aus der "Dollars Trilogy"
bzw. "Trilogia dell'Uomo senza nome". Was für das
Deuten nochmals andere Mythen anbieten
würde.
(2025/8) 23.1.2025
FOCUS
Amtseinführung von Donald Trump; Interview von Marc Brost mit der früheren
Botschafterin Emily Haber „Eine Inszenierung politischer Dominanz“ (Ausgabe Nr.
4 v. 17.1.2025, S. 36f)
Eine sehr überzeugende Analyse: Deutschland hat es nicht
mit einer Episode zu tun, sondern mit einem langfristigen Trend. Und als
beachtlicher Wettbewerber könnten wir besonders hart im Wind stehen, auch nach
Trump.
Umso wichtiger, das Geschäftsmodell wetterfest zu
kalibrieren. Vermutlich: Weniger Fernhandel bzw. weniger USA und China. Mehr
Nah-Handel, sprich EU. Vielleicht aber auch mehr globaler Süden auf Augenhöhe
und nach David Ricardo, also im fairen Austausch komparativer Vorteile.
Entschlossenes Maßhalten wird angesagt sein – auch, was Energiefresser angeht.
Und konsequente Vorsorge bzw. Maintenance anstelle ewiger disruptiver
Erneuerung. Bei der Sicherheit von der Rüstung das Nötigste – aber von der
Diplomatie das Möglichste. Einige tausend Jahre lehren es: Genau diese
Rangfolge ist sowohl entscheidend preiswerter als auch deutlich unblutiger.
Trump mag derweil gerne weiter macho-hafte Dominanz inszenieren.
(2025/7) 21.1.2025
Süddeutsche Zeitung
Grüne und Verteidigungs- bzw. Rüstungsindustrie; Roland Muschel „Panzer
statt Porsche“, Ausgabe v. 21.1.2025,
S. 1
In den Firmenbilanzen wird die schöne Prognose des Ökonomen
Achim Wambach aufgehen: Zusätzliches Rüstungsgeschäft verspricht verlässlich
schwarze Zahlen. Völlig entgegengesetzt mag sich aber die Statistik der
Job-Center entwickeln. Denn etwas anders als es in den Sonntags-Wahlkampf-Reden
der nächsten Wochen lauten mag, dürfte die weitere Spezialisierung auf das
Waffengeschäft per saldo Arbeitsplätze kosten.
Tatsächlich: kosten, nicht schaffen.
Das liegt an einigen Besonderheiten des Waffenhandels.
Bezahlt wird häufig nämlich gerade nicht in cash – da sind auch viele
umworbene Abnehmer eher knapp bei Kasse –, sondern in gegenläufigen Lieferungen
von Rohstoffen, Waren oder Halbfertigwaren. Nun: Die Herstellung oder
Bereitstellung dieser Gegenleistungen, die in zumeist vertraulichen offset agreements
vereinbart werden, sie ist zumeist deutlich arbeitsintensiver als
Waffenproduktion mit ihrer besonders hohen Wertschöpfung. Vermutlich ist Achim
Wambach auch eher Betriebs- als Volkswirtschaftler und in seiner Welt hat er
sicher Recht. Andreas Schwarz, Fraktionschef der grünen Landtagsfraktion in
Baden-Württemberg, sollte aber besser etwas differenzierter hinsehen. Sonst
könnte man ihn unversehens als kalten Job-Killer verstehen.
Quelle etwa: Lora Lumpe u.
Paul Pineo: "Do U.S: Arms Sales Cost American Jobs?", Intersect
May 1994, p.18
(2025/6) 20.1.2025
Welt am Sonntag
Herausforderungen aus China und den USA gemäß Ausgabe v. 19.1.2024 (u.a.:
Daniel Wetzel u. Benedikt Fuest „Xi Jinping kann Deutschland den Strom
abschalten“ u. Interview von Jens Wiegmann mit Michael Link „Deutsche
Interessen robust vertreten“, WamS v. 19.1.2025, S. 1
u. 3)
Mittelfristiges De-Risking ist
offenbar derzeit in einem 360-Grad-Winkel geboten: China könnte uns den Strom
abschalten, die USA Teile des Internets und/oder den nuklearen Schutzschirm;
von Russland haben wir uns bereits energetisch abgekoppelt. Höchste Zeit,
innerhalb der EU – und dieser Verband und Markt bleibt unser wesentliches
Argument – eine Emanzipations-Strategie zu erarbeiten.
Bei allem Sicherheitsstreben sollten wir aber weiterhin
möglichst viel von den liberalen Axiomen eines David Ricardo beherzigen. Denn
etwa seine Theorie des komparativen Kostenvorteils ist noch heute ein zentraler
Pfeiler des deutschen Geschäftsmodells.
Quelle etwa:
https://de.wikipedia.org/wiki/David_Ricardo
(2025/5)
17.1.2025
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 21.1.2025
Neue US-Regierung; zu Joseph Bidens Farewell Address v. 15.1.2025 bzw. zu Karl Doemens‘ Kommentar „Coup der
Milliardäre“ (Ausgabe v. 17.1.2025, S. 4) und zu seinem Bericht „Biden warnt
USA vor neuen Oligarchen“ (S. 6)
Die schlechte
Nachricht: Dwight D. Eisenhowers sehr berechtigte Warnung von 1961 vor einem
die Demokratie bedrohenden militärisch-industriellen Komplex, sie hat keine
erkennbaren Auswirkungen gehabt. Und, wie wir wissen, verlangt das Militär
gerade wieder sehr selbstbewusst eine neue, signifikant erhöhte
Sicherheits-Rendite.
Die etwas bessere
Nachricht: Das zumindest ähnlich bedrohliche und in manchen Punkten auch mit
dem militärischen Sektor vernetzte Geschäft der Tech-Industrie, das Joseph
Biden unter Verweis konkret auf Dwight D. Eisenhower aufgreift, das haben wir
eher in der Hand, durch persönliche Abstinenz. Und in dem sicheren Wissen: Die
Welt vor der Digitalisierung war unter dem Strich nicht die schlechtere.
Zumindest war sie nicht aufgeregter, psychotischer oder leichter verführbar als
heute.
Quellen etwa
https://en.wikipedia.org/wiki/Dwight_D._Eisenhower%27s_farewell_address
https://www.archives.gov/milestone-documents/president-dwight-d-eisenhowers-farewell-address (farewell address
Dwight. D. Eisenhower v. 17.1.1961), Auszug:
„… This conjunction of an immense military establishment and a
large arms industry is new in the
American experience. The total influence-economic,
political, even spiritual-is felt in every
city, every state house, every
office of the Federal government. We recognize the
imperative need for this development. Yet we must
not fail to comprehend its grave implications. Our toil, resources
and livelihood are all involved; so is the very structure
of our society.
In the
councils of government, we must guard against
the acquisition of unwarranted influence, whether sought or unsought,
by the military-industrial
complex. The potential for the disastrous rise of misplaced
power exists and will persist.
We must never
let the weight
of this combination
endanger our liberties or democratic
processes. We should take nothing
for granted. Only an alert and knowledgeable citizenry can compel
the proper meshing of the huge
industrial and military machinery of defense
with our peaceful methods and goals, so that security and liberty may prosper together.
…“
https://www.nytimes.com/2025/01/15/us/politics/full-transcript-of-president-bidens-farewell-address.html (farewell address
Joseph Biden v. 15.1.2025), Auszug:
„… That’s
why my farewell
address tonight, I want to warn the
country of some things that
give me great
concern. And this is a dangerous — and that’s the dangerous
concentration of power in the hands of
a very few ultrawealthy people, and the dangerous consequences
if their abuse of power is left unchecked.
Today, an oligarchy is taking shape in America of extreme wealth, power and influence that literally threatens our entire
democracy, our basic rights and freedoms and a fair shot for everyone to
get ahead. We see the
consequences all across America. And we’ve seen it before.
…
You know, in his
farewell address, President Eisenhower spoke of the dangers
of the military-industrial
complex. He warned us that about,
and I quote, “The potential for
the disastrous rise of misplaced
power.” Six days — six decades later, I’m equally concerned
about the potential rise of a tech-industrial
complex that could pose real dangers for our
country as well. …“
(2025/4) 15.1.2025
Kölner Stadt-Anzeiger, veröffentlicht 16.1.2025
im Internet-Angebot des KStA: https://www.ksta.de/leserbriefe/leserbriefe-zum-polizeieinsatz-urteil-steuergelder-nicht-verschenken-940880
Polizeikosten bei Hochrisikospielen; Berichte und Kommentar in der Ausgabe v.
15.1.2025, S. 1, 2 u. 4 (Gerhard Voogt „NRW will
Fußballklubs nicht für Polizeieinsätze zahlen lassen“; Markus Decker „Länder
dürfen Profiklubs zur Kasse bitten“ u. Hendrik Buchheister „Ein Urteil, das
keine Probleme löst“)
Beim organisierten Fußball möchte ich unserem
Landesminister des Innern ähnlich viel Biss wünschen wie gegenüber Clans,
Banden oder organisierter Kriminalität.
Auch wenn ich den kommenden US-Präsidenten nur sehr ungern
zitiere: Unter dem Schutzschirm Anderer prächtige Geschäfte zu machen, aber
sich bei den Kosten einen schlanken Fuß zu machen – das geht gar nicht!
Verluste sozialisieren, Gewinne privatisieren? Klares Nein! Darüber hinaus: Für
die Vereine müssen klare Anreize bleiben, präventiv zu deeskalieren, statt klammheimlich den harten Fans schöne Augen zu machen. Alter
Grundsatz des Haftungsrechts.
Quellen etwa:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2025/01/rs20250114_1bvr054822.html?nn=68080 (Entscheidung v.
14.10.2025 (Az. 1 BvR 548/22) zu Polizeikosten bei Hochrisikospielen
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2025/bvg25-002.html (diesbezügliche PM des
BVerfG v. 14.1.2025)
Leitsätze der Entscheidung v. 14.1.2025 (Hervorhebungen von mir)
1. Als Gebühren lassen sich öffentlich-rechtliche
Geldleistungen verstehen, die aus Anlass individuell zurechenbarer Leistungen
durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder eine sonstige hoheitliche Maßnahme
auferlegt werden und insbesondere dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese
Leistungen deren Kosten ganz oder teilweise zu decken oder deren Vorteil oder
deren Wert auszugleichen. Sie beruhen auf dem Aspekt der Gegenleistung, also
des Ausgleichs von Vorzügen und Lasten.
2. Die Verfassung kennt keinen
allgemeinen Grundsatz, nach dem die polizeiliche Sicherheitsvorsorge
durchgängig kostenfrei zur Verfügung gestellt werden muss. Sie ist keine
allgemeine staatliche Tätigkeit, die zwingend ausschließlich aus dem
Steueraufkommen zu finanzieren ist. Die Verfassung verlangt auch nicht, Polizeikosten nur
Störerinnen und Störern oder solchen Personen aufzuerlegen, die nach den
Vorschriften des Polizeigesetzes anstelle der Störerinnen und Störer in
Anspruch genommen werden können oder die sich rechtswidrig verhalten.
3. Eine Gebühr ist nur dann angemessen, wenn sie auch
tatsächlich als Gegenleistung für eine individuell zurechenbare Leistung
erhoben wird. Dabei hat der Gebührengesetzgeber zwar einen weiten
Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, welche individuell zurechenbaren
öffentlichen Leistungen er einer Gebührenpflicht unterwerfen will. Dieser
Spielraum ist aber dann überschritten, wenn kein konkreter Bezug zwischen dem
gesetzlich definierten Vorzug und dem Abgabepflichtigen mehr erkennbar ist.
4. Die individuell-konkrete
Zurechenbarkeit kann insbesondere gegeben sein, wenn die öffentliche Leistung
mit konkreten Vorteilen verbunden ist oder individuell veranlasst wurde,
insbesondere bei einer das übliche Maß überschreitenden „Sondernutzung“ öffentlicher
Sachen mit einer besonderen Inanspruchnahme begrenzter staatlicher Ressourcen.
(2025/3) 13.1.2025
DER SPIEGEL
Wahl 2025; Kommentare & Berichte in der Ausgabe v. 11.1.2025 zu diversen
Rahmenbedingungen der Bundestagswahl (u.a. Mathieu von Rohr „Gegen Donald Trump
hilft nur Stärke“, Matthias Bartsch et al. „Gefahr aus der Luft“ u. Christopher
Daase u. Nicole Deitelhoff
„Wie der Krieg in der Ukraine beendet werden kann“)
Putins Augen und Trumps Mundwerk – da fehlt nur noch die
rechte deutsche Nase, oder? Diesen Fehler sollten wir schnell aufgeben:
geopolitisches Imitations-Lernen. Versuchen wir eher, endlich nüchtern zu
bilanzieren: Was ist uns nach 1989 gelungen und was gerade nicht? Viele
militärische Erfolgsgeschichten werden wir nicht finden, auch keine durch
Waffen getriggerte Stabilität.
(2025/2) 8.1.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Bundestagswahl 2025; Ausgaben vom 6., 7. u. 8.1.2025 über bundespolitische bzw.
Wahl-relevante Fragestellungen (KStA v. 6.1.2025, S.
1 u. 4: Steven Geyer u. Claudia Lehnen „CDU fordert Arbeitspflicht bei
Bürgergeld“ bzw. Steven Geyer „Erste Stadt mit Arbeitspflicht“; KStA v. 7.1.2024: S. 1, 3, 4 u. 5: Claudia Lehnen
„Bürgergeld: Debatte um Arbeitspflicht“ u. „Ein Modell auch für NRW?“, Alisha Mendgen „Die CSU wird zum Risiko“ u. „CSU verschärft bei
Sicherheit den Ton“, Daniela Vates „Der Wahlkampf als Abstiegskampf“; KStA v. 8.1.2025, S. 5: Christian Rath u. Anne-Béatrice Clasmann „Merz‘ Forderung hat einen Haken“ u. Julia Naue
„Grönland und Panamakanal: Trump schließt Militär nicht aus“)
Inmitten von tatsächlichen oder induzierten Krisenzeiten
den aktiven Impuls für Neuwahlen zu geben, das sollte unter Strafe gestellt
werden – mit Androhung von Haft für mindestens eine Legislaturperiode.
Zumal ein nun sehr kurzatmiger und marktschreierischer
Krisen-Wahlkampf besonders disruptive Parolen ans Tageslicht fördert: Das
Drohen mit dem Aberkennen von Bleiberechten für Nicht-Nützlinge, bei anderen
gar mit dem Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft. Ferner einander
verstärkende Rufe nach Arbeitspflichten – ohne jedes verbriefte Recht auf
Arbeit. Sodann: Fremdenfurcht und -hass in jeder Schattierung. Egomanische
Dritte ergänzen das Schreckensbild um neue Rüstungs- und Gewalt-Phantasien, gegen Schutzgeld. Oder nehmen Partei. Ich denke,
das sollte nicht der Lohn sein.
(2025/1) 2.1.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Lokalteil Leverkusen, abgedruckt 20.1.2025
Stadtentwicklung; Thomas Käding: „Burscheid wartet noch immer auf ein
Kernstück des Innenstadt-Umbaus“ (Ausgabe Leverkusen v. 23.12.2024, S. 22)
Es ist schon konsequent, dass der Burscheider Bürgermeister
weitere Zuversicht zum geplanten Montanus-Quartier verbreitet. Sind doch er
ebenso wie der Rat zum Erfolg der „Neuen Mitte“ verdammt, sofern denn das
jahrelange Hintanstellen der alten Mitte irgendeinen Sinn behalten soll.
Allerdings liegen bis heute weder ökologische noch ökonomische Vorteile auf der
Hand.
Das karge Gras und/oder Moos auf dem Dach, noch dazu im
Wettbewerb mit Photovoltaik, und die bauartbedingt doch kleinen Bäumchen und
Sträucher, sie werden den bereits realisierten Verlust an relevanter Grünmasse
bei Weitem nicht kompensieren. Eben deswegen musste sich die Stadt mit
Ausgleichsflächen freikaufen. Und das durfte sie im Sauerland, von wo künftig
hier und da auch ein Molekül O2 herüberwehen mag. Und wenn die
Photovoltaik auch nur 5% des beträchtlichen Energiehungers der geplanten großen
Maschine decken würde, dann wäre es schon viel; geheizt werden soll ohnehin
über eine veritable Gas-Therme, für zehn, zwanzig oder mehr Jahre. Zusätzlich
wird der vierstöckige Riegel die angestammte Frischluftschneise zwischen dem
Luchtenberg-Richartz-Park und dem Altenzentrum Luchtenberg-Richartz-Haus
versperren. Und wird im Winterhalbjahr den Kindergarten Schützeneich
und seine Gartenfläche weitgehend abschatten.
Aber wirtschaftlich, da wird es sich doch bitte rechnen?
Kaum. Anker-Nutzer wird ein Vollsortimenter, der auf robusten
Verdrängungswettbewerb setzen muss. Denn in seinem Angebotsfeld ist der
Markt bereits zu einem Viertel über Bundesdurchschnitt gesättigt. Mit Montanus
werden es dann knapp die Hälfte über Durst sein. Und sobald der bereits emsig
vorbereitete weitere Markt in Hilgen hinzu tritt, dann
werden wir Burscheider bei rekordverdächtigen zwei Dritteln über normal liegen,
die wuchernde digitale Konkurrenz noch gar nicht gerechnet. Da die neu
hinzutretenden Marktteilnehmer ihre Ersteinrichtung auf Jahre steuermindernd
absetzen werden – und weil wir auch nicht wirklich mehr als bisher werden
konsumieren wollen – werden wir den neuen Konsum-Tempel weitgehend aus der
Stadtkasse abstottern, zum Nachteil von anderen kommunalen Ausgaben. Etwa für
unsere Kultur. Oder für gute Straßen und Wege, auch in der alten Mitte.
P.S.:
Vincenz Jakob von Zuccalmaglio müsste mit hoher
Drehzahl im Grabe rotieren, sobald er seinen nom
de guerre bzw. Künstlernamen „Montanus“ mit dem
aus dem Französischen abgeleiteten „Quartier“ (für Stadtteil) verbunden sähe.
Obwohl oder gerade weil Vincenz'
Vater Jakob Salentin von Zuccalmaglio Schlebuscher Maire in der Franzosenzeit
(und sehr flexibel nach dem Zusammenbruch der französischen Herrschaft dann
auch Bürgermeister) gewesen war, prägte dieser Sohn offenbar einen
kämpferischen Patriotismus und einen unversöhnlichen Hass gegen die westlichen
Nachbarn aus, siehe etwa Stephan Laux, Vincenz von Zuccalmaglio
(1806-1876). Zum mentalen Profil eines »katholischen Patrioten« im 19.
Jahrhundert, https://www.uni-trier.de/fileadmin/fb3/prof/GES/LG1/Bilder_allgemein/Allgemein_Laux/Aufs%C3%A4tze_Prof._Dr._Laux/laux__zuccalmaglio__2004_.pdf,
Auszug Laux mit Zitat v. Z. (S. 93): Er stand
damit nicht etwa im Banne einer bloß vorübergehenden, im Kontext des
Deutsch-Französischen Krieges allgemein aufgewallten Frankophobie, sondern
demonstrierte eine Grundüberzeugung. "Was meine Schriften betrifft",
so hatte Zuccalmaglio schon 1855 anlässlich der Verleihung des "Roten
Adlerordens" dargelegt, "so hatten dieselben den Zweck,
vaterländische Gesinnung, Vertrauen zur Regierung zu erwecken und die von
Jünglingstagen an gehegte Liebe und Anhänglichkeit für das Haus Hohenzollern
zunächst unter meinen bergischen Heimatgenossen zu wecken und zu verbreiten. Es
war da natürlich zunächst meine Aufgabe, die
Gallomanie meiner Heimatgenossen zu bekämpfen."
Vermutlich ist es bei der zitierten Namensschöpfung in
Burscheid nicht so recht im Blick gewesen: Auch Vincenz von Zuccalmaglio
gehörte – nicht ganz unvergleichbar dem Ernst Moritz Arndt der EMA-Schule – zu
den gedanklichen Wegbereitern blutigster Nachbarkriege aus vergangener Zeit.
Bruchlos passt er jedenfalls nicht mehr in unsere Epoche. Oder in das neue
Quartier.
(2024/80) 30.12.2024
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 11.1.2025
Wahl 2025; zum Pro & Contra bzgl. des Musk-Gastbeitrags in der Welt am
Sonntag, konkret zu Michael Kohlers Pro = „Keine Frage der Moral“ (Ausgabe
v. 30.12.2024, S. 20)
Leider ist es kein historisches Novum, wenn ein sehr
dynamischer US-Auto-Tycoon den Influencer für eine radikale deutsche Bewegung
gibt. Henry Ford hatte sehr Ähnliches geleistet und heftete sich noch 1938
(!!!) stolz die höchste zivile Auszeichnung des inzwischen etablierten
NS-Regimes an die Brust, den Adlerorden. Sein boshaft antisemitisches Werk „The
International Jew, The World’s
Problem“ hatte bereits den noch halbstarken Nazis als Fundgrube gedient; ein
Jahrzehnt später sollten am Rhein endgefertigte Ford-Laster das logistische
Rückgrat der deutschen Sudeten-Invasion werden.
Weitere Parallelen: „America
First“ gab’s damals schon, mit einem höchst konservativen Netzwerk. Dafür warb
auch Charles Lindbergh – der umjubelte Atlantikflieger und ein weiterer
renommierter Adler-Preisträger, ausgestattet mit einer extrem
technokratischen Weltsicht. Zum Dunstkreis hatte ferner der
US-Militärattaché Truman Smith gezählt, der bereits in der Zwanzigern Hitler
unschätzbare Hilfe hatte zukommen lassen, und zwar über den in beiden Ländern
hervorragend vernetzten Deutsch-Amerikaner Ernst Franz Sedgwick Hanfstaengl:
Hitler-Coach, Mitfinanzier der Startauflage von „Mein Kampf“ und späterer
Auslandspressechef der NSDAP.
Sicher: Geschichte wiederholt sich nicht. Aber, wie es Mark
Twain formulierte, sie reimt sich immerhin. Es lohnt, vorsorglich in die
dunklen Ecken hinein zu leuchten.
Quellen etwa:
https://de.wikipedia.org/wiki/Der_internationale_Jude
https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Hanfstaengl
Max Wallace, The American Axis (New York 2003), insbesondere S. 239ff, im
Volltext unter http://reparti.free.fr/wallace2003.pdf
Anm.:
Auf eine berechtigte Nachfrage aus Köln möchte ich den missverständlichen
ersten Absatz wie folgt ergänzen:
… Henry Ford hatte sehr
Ähnliches geleistet und heftete sich noch 1938 (!!!) stolz die höchste zivile
Auszeichnung des inzwischen etablierten NS-Regimes an die Brust, den
Adlerorden. Sein boshaft antisemitisches Werk „The International Jew, The World’s Problem“ hatte
bereits seit 1922 den noch halbstarken Nazis als
Fundgrube gedient; mehr als ein Jahrzehnt später
sollten am Rhein endgefertigte Ford-Laster das logistische Rückgrat der
deutschen Sudeten-Invasion des Jahres 1938 werden.
Zum Hintergrund, auch
zur Münchner Konferenz am 29./30.9.1938, die der militärischen Besetzung
unmittelbar vorausgegangen war, siehe etwa https://de.wikipedia.org/wiki/Sudetenkrise. Und wenn man das Ganze als Treppenwitz der Weltgeschichte
nachverfolgen möchte, siehe etwa https://uliswahlblog.blogspot.com/2013/08/isaf-und-der-3-juli-1979.html m.w.N
Text der Anfrage war:
Zum Jahresende blickt man ja gerne
zurück und voraus. Das will auch ich im Bergischen Volksboten tun und dabei von
ein paar Leuten wissen, wie es ihnen ums Herz ist. Geplant ist dann ein
O-Ton-Bericht.
„Krieg, Flucht, Rechte im Aufwind, eine gescheiterte
Regierung – derzeit gibt es wenig Anlass, optimistisch zu sein. Blicken Sie
dennoch mit Zuversicht auf 2025 und warum?“
Beitrag:
Lassen wir die Kirche im Dorf! Ich gebe zu, nach den
schrecklichen Details zu Magdeburg habe ich kurz gezögert. Aber ich bleibe
dabei: Besonnenheit und nüchternes Augenmaß bleiben das Gebot der Stunde. Damit
aus wirren Emotionen etwas Zuversicht wachsen kann. Und nicht zuerst Angst,
verbunden mit haltbarem Hass. Aber die angesprochenen Punkte Krieg und Flucht,
neue Rechte und Ampel-Aus, die verdienen schon genaueres Hinsehen:
Krieg & Flucht. Wir haben viel damit zu tun.
Zunächst: Betrachten wir einmal nüchtern unsere
Selbstbilder und Feindbilder; sie haben es verdient.
Seit Beginn der Neunziger Jahre –
oder: nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion – haben westliche Staaten und
dabei zumeist auch Deutschland eine sehr expansive Außen- und
Sicherheitspolitik entwickelt, u.a. in Auslandseinsätzen mit dem berühmten
„scharfen Schuss“. Der größere Teil der Einsätze hat die Ziele nicht erreicht.
Beispiele: 1999 wurde die erste europäische Hauptstadt nach dem Zweiten
Weltkrieg bombardiert, mit vielen hundert zivilen Toten. Es war Belgrad. Die
Afghanistan-Mission wurde – wie 20 Jahre vorher bereits in Somalia – in großer
Hast evakuiert. Heute gelten ein großer Teil des Nahen und Mittleren Ostens und
des nördlichen Afrika als deutlich instabiler als zuvor. Alles das hat – neben
weiteren Ursachen – Migrationsdruck aufgebaut. In dem häufig zitierten Jahr
2015 war der größte Anteil Asylsuchender gerade vom Balkan zugeflossen.
Meine Hoffnung beruht darauf: Wir können und wir sollten
diese jüngere außenpolitische Vergangenheit öffentlich evaluieren – Afghanistan
ist ein Anfang. Und wir können Wiederholungen vermeiden. Weiter: Keine Frage,
Putins Politik ist unerträglich und der Ukraine-Krieg mit seinen Abertausenden
Opfern, der muss enden. Nur wird er nicht beendet, solange wir uns stolz auf
der unfehlbaren Seite sehen. Und auch das Fliehen, es würde nicht enden.
Rechte im Aufwind? Ja, das ist so.
Eine anwachsende Rechte überrascht nicht. Warum bitte
sollte der Trend hier anders sein als etwa in den Niederlanden und Frankreich,
auch als in einigen Staaten Osteuropas? Selbst der Nahbereich zeigt schon lange
dazu passende Anhaltspunkte: Vor 20 Jahren hätte ich mir nicht vorstellen
können, dass Nordrhein-Westfalen einmal ein Heimatministerium
hervorbrächte – und ich selbst habe schon hochmotiviert beim Gewinn von Heimatpreisen
mitgewirkt. Weiter: Im Burscheider Stadtrat sind Parteien eines mitte-linken Spektrums
heute marginalisiert. Ganz offenbar verspricht eine eher konservative Weltsicht
in Zeiten, die viele als sehr unübersichtlich wahrnehmen, die größere
Sicherheit. Und natürlich: Wahlen werden nicht über den Kopf gewonnen, sondern
über den Bauch. Dass Parteien Besorgnisse nutzen und dann in
Wahlkampf-Botschaften umsetzen, das ist nur menschlich.
Was aber tun? Im Grunde haben es die
Gegen-Rechts-Demonstrationen vor der Europawahl gezeigt, dabei auch ein ganz
neues Potenzial: Die Bürgerinnen und Bürger warten darauf, aktiviert zu werden.
Dazu muss man sich nur ein wenig von der traditionellen Vorstellung lösen, die
besten Ideen und das tiefste Ortswissen lägen bei der Obrigkeit oder bei
Experten und Beratern. Professionalisieren wir die Stadtgesellschaft – die wir
ohnehin für viele Aufgaben brauchen –, dann steht weitere Durchsicht und
Zuversicht zu erwarten. Es ist dann wie in der Schule: Viel Training mit realen
Bezügen bewirkt das meiste.
Die Ampel und ihr Aus. Keine Ampeln mehr?
Schlimmer als das Ampel-Aus selbst ist das unwürdige
Gezerre davor wie danach. Diese Regierung wurde nicht sachlich widerlegt oder
von besser belastbaren Konzepten aus dem Feld geschlagen. Sie wurde schlicht
verdaut, in einem stark säurehaltigen Prozess, an dem die gerne so genannte
vierte Gewalt – die Medien – leider auch einen gewissen Anteil hatte.
Hier habe ich tatsächlich die geringsten Hoffnungen auf ein
Happy End alten Stils. Die Zeit fester Bindungen in der Wählerschaft und
auch innerhalb der Parteien könnte zunächst vorbei sein und damit auch die gut
eingeübte Rollenteilung zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien.
Minderheitsregierungen mögen auch in Deutschland von der Ausnahme zur Regel
geraten. Den Untergang des Abendlandes muss man aber nicht gleich ausrufen: Der
Versuch, sich jeweils im Einzelfall zu einer Sachfrage zusammen zu raufen, der
wäre kein Verstoß gegen das parlamentarische Prinzip oder gegen das Modell
einer repräsentativen Demokratie. Allerdings würden wir Bürgerinnen und Bürger
von einem solchen Prozess der aktiven Mehrheitssuche mehr mitbekommen als
bisher. Das wäre nicht der schlechteste Aspekt.
Fazit: Do it yourself!
„Hoffnung“ oder „Zuversicht“? Für mich ist die Zuversicht
etwas weniger wundergläubig. Die Hoffnung legt gerne auch mal die Hände in den
Schoß und delegiert die Zukunft auf andere „Hoffnungsträger“. Zuversicht
dagegen klingt aktivierend wie „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!“
Meine Meinung: Verbreitern wir entschlossen die Basis derjenigen, die
konstruktiv über die Entwicklung unseres Landes und unserer Stadt nachdenken.
Ich bin zuversichtlich: Da ist noch viel Luft nach oben. Und beim Frust ist
einige Luft nach unten.
Und ein paar
Sammlerstücke aus früheren Jahren:
Die Mutter aller
[meiner] Leserbriefe zur Außen- und Sicherheitspolitik:
29.9.1992
Kölner Stadt-Anzeiger; abgedruckt 2.10.1992
Militär; Absage der "V 2 - Gedenkfeier" in Peenemünde (Kölner
Stadt-Anzeiger. v. 29.9.1992)
Hätten wir am Deutschlandtag die Schöpfer der V
2 hochleben lassen, hätten wir auch die der Scud mitgefeiert. Die Scud ist wie
die Mehrzahl der heute weltweit ausgerichteten Trägersysteme legitimer
Nachfahre der V 2. Scud und V 2 sind brutale Massenvernichtungswaffen, die
unter einem verantwortungslosen Regime bewußt zum
Schaden der Zivilbevölkerung eines anderen Landes entwickelt und eingesetzt
worden sind.
Demgegenüber ist der vorgebliche Kontext
ziviler (!) Raumfahrtforschung, der etwa den jungen Wernher von Braun
begeistert und geblendet haben mag, als Begründung eines V 2 - Festes geradezu
absurd. Die Forschung hat sich gegen diese Wirtschaftsidee im doppelten Sinne
auch ausdrücklich verwahrt.
Der Vorschlag war, wenn auch der count-down schweren Herzens in letzter Sekunde abgebrochen
wurde, bereits eine verheerende Wunderwaffe gegen das Ansehen des neuen
Deutschland im Ausland und unserer Repräsentanten im Inland.
Und der am weitesten
gereiste Leserbrief:
22.08.1995
NIKKEI WEEKLY, JAPAN; abgedruckt 28.8.1995
Militärpolitik; Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki; THE NIKKEI WEEKLY of August 14, 1995
I refer to reports on
WW II and especially to two letters to
the editor printed in THE NIKKEI WEEKLY of August 14, 1995. It is my
impression that those two letters offer a unilateral and quite insulting
interpretation of the motives behind the drop of atomic bombs onto Hiroshima
and Nagasaki fifty years ago (e.g. N. Hale: "a merciful decision").
So, I would like to show an alternative view:
It is certainly true
that Japanese military leaders commenced the hostilities against the
The echoes of that
demonstration of power strongly outlived that event. We hear them over and over again – from
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Oder auch ein paar Briefe für Englisch-sprachige Medien.
Gerne meine >150
Leserbriefe, die zum Thema Außen- und
Sicherheitspolitik, Auslandseinsätze bzw. „out of area“ veröffentlicht
worden sind.
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